23. Woche - Der Rosettennebel mit NGC 2244 als Bicolorbild

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Im heutigen AdW geht es wieder einmal um ein Standardobjekt: um den Rosettennebel im Sternbild Einhorn. Bildautor ist Rüdiger Graf, das AdW-Team begrüßt ihn herzlich als Neuling unter den AdW-Astrofotografen. Die Bildserie zum Bicolor-Bild entstand im März 2021 in seiner Gartensternwarte in Ulm. Als Optik diente ein Apochromat 80 mm/480 mm (Meade 6000 APO), dazu wurde eine Kamera des Typs ASI1600 MM verwendet - alles auf einer Skywatcher Montierung AZ-EQ5. Das Autoguiding lief über eine ZWO ASI120mm an einem Sucherfernrohr von 50 mm Öffnung. Die Belichtungszeiten: 6 x 10 min für Hα und 14 x 10 min für [OIII], zusammen also 3 h 20 min. Die Filter sind vom Hersteller ZWO, beide haben 7 nm Halbwertbreite. Für die Bildbearbeitung wurde PixInsight genommen. Das 123' x 91,1' große Bildfeld ist ca. 40° nach rechts gedreht, Norden liegt daher auf etwa 2:30 Uhr.

In der der Sternassoziation Monoceros OB2 sitzt der junge Sternhaufen NGC 2244. Um ihn herum erstreckt sich als große HII-Region der Rosettennebel, der auch die Katalogbezeichnungen Sh2-275, [GS55] 97 und LBN 948/949 trägt. NGC 2244 und Rosettennebel sind ein Musterbeispiel für einen Haufen sehr junger, massereicher und heißer Sterne, die das umgebende Gas als sphärischen Nebel ionisieren („Strömgrensphäre“). Typisch für den Rosettennebel ist seine Kugelgestalt, die durch eine markante zentrale Höhle betont wird und so als Schalenstruktur erscheint. Das Material für die Sternhaufenbildung stammt aus der benachbarten Rosetten-Molekülwolke, so dass diese Prozedur am Nebelort ein ausgefranstes Loch hinterlassen hat. Der fransige Rand ist die Zone, wo der Rosettennebel mit der Molekülwolke kollidiert und sie aufleuchten lässt (bright rims, helle Ränder). Die Entfernung von NGC 2244 (und damit auch die des Rosettennebels) schwankt in der Fachliteratur zwischen 4600 und 5800 Lj. Bonatto (2009) gibt einen Wert an, der mit 5200 Lj in der Mitte aller Angaben liegt. Das Alter wird auf nur 1 bis 6 Millionen Jahre geschätzt. Bei einem scheinbaren Winkeldurchmesser von 1,5° ergibt sich somit ein wahrer Durchmesser von rund 140 Lichtjahren. Der Rosettennebel ist somit etwa viermal so groß wie der Orionnebel M 42.

Welche Sterne sind für das Leuchten des Rosettennebels verantwortlich? Im Wesentlichen liefern sechs OB-Sterne aus dem Haufenzentrum die nötige UV-Energie zur Anregung und Ionisation der Gasanteile. Die beiden wichtigsten: HD 46223 mit dem Spektraltyp O4 bei den Pixelkoordinaten (2032/1681) und HD 46150, Spektraltyp O5, bei (2324/1735). Ihr Sternwind ist nach außen gerichtet und beträgt bis zu 3000 km/s. Die so geschaffene innere Blase um die OB-Sterne expandiert mit 56 km/s (Brühweiler et al., 2010). Hingegen expandiert die Schalenstruktur des Rosettennebels selbst mit 14 km/s deutlich langsamer (Celnik 1986), so dass Höhle und Nebel ständig anwachsen, dabei jedoch mit einer Formveränderung. Der mit 5,8 mag scheinbar hellste Stern in NGC 2244 ist HD 46241 (12 Mon) bei (2079/1574). Er hat den Spektraltyp K0, ist also ein bereits entwickelter, alter gelber Stern. Da die jungen O-Sterne typischerweise nur 2 bis 4 Millionen Jahre alt werden, wird HD 46241 höchstwahrscheinlich nicht zu NGC 2244 gehören. Es handelt sich vermutlich um einen Vordergrundstern.

Was zeigt uns das AdW bei genauerer Betrachtung noch? Im linken oberen Innenbereich der zentralen Höhle erkennt man einige bogenförmige Nebel mit einigen hellen Knoten. Es handelt sich um ionisierte Hochgeschwindigkeitsknoten (Meaburn & Walsh 1986). Spektraluntersuchungen zeigen, dass in diesen Knoten Hα- und [OIII]-Strahlung in etwa gleich hell sind. Weiterhin sieht man Elefantenrüssel und Globulen. Sie liegen auf der uns zugewandten Seite des Rosettennebels. Auch radioastronomisch können diese dunklen Gebilde registriert werden, im Bereich der CO-Emission (110 und 115 GHz). Eine solche Untersuchung von Gahm et al. (2013) zeigte, dass sich die Elefantenrüssel und Globulen im Rosettennebel mit 22 km/s vom Haufenzentrum weg bewegen. Der gesamte Schalenbereich des Nebels ist übrigens auch durch einen hohen Staubgehalt geprägt. So kommt es im gesamten Nebelgebiet zu Lichtschwächungen mit einer visuellen Absorption um 1,5 mag.

Anmerkungen: Für das Bicolorbild wurde aus dem [OIII]- und dem Hα-Bild ein künstliches G-Bild erzeugt. In Photoshop hat Rüdiger Graf durch "Layer einkopieren" und die Überblendmethode "umgekehrt multiplizieren" diesen Grünkanal erzeugt. Es möge mich jetzt bitte niemand falsch verstehen, aber das Bicolorverfahren sagt mir persönlich nicht so recht zu. Begründung: Gerade bei HII-Regionen ist dies immer (!) eine kritische Sache, weil für HII-Regionen im Grünspektrum keine nennenswerte helle Emissionslinie vorliegt. Dort herrscht überwiegend das grüne Kontinuum vor. Nur am kurzwelligen Rand des Transmissionsfensters eines G-Filters tritt die [OIII]-Linie abgeschwächt auf, wenn man einmal an einen regulären Grünfilter denkt. Das Bicolor-Verfahren hat demnach den Fehler zur Folge, dass dem Rosettennebel im Grünkanal eine fiktive starke Emission zugeordnet wird, wo in Wirklichkeit gar keine ist. Aus dem Hα-Filter wird Rot in den Grünkanal (als Grün) eingebracht, aus dem [OIII]-Filter kommt Blau hinzu, welches ebenfalls dem Grün zugeordnet wird. Und so muss dann das "falsche" Grünbild wieder abgeschwächt werden. Dies erfolgte in Photoshop mittels "selektiver Farbkorrektur". Dass mit dieser Abschwächung auch Fehler in den Sternintensitäten und -farben entstehen, dürfte jedem klar sein.

Dann wurden in PixInsight die Bilder 1:1:1 zusammengefügt. Man bedenke, dass [OIII] zu 140 min belichtet wurde und Hα nur zu 60 min, das sind nur 43% der [OIII]-Belichtung. Für ein 1:1 hätte Hα also 2,3-mal länger belichtet werden müssen. Nun läuft diese Kürzung aber zwecks Reduzierung des Hα-Anteils im G-Kanal schon in die richtige Richtung. Außerdem hat Rüdiger Graf wegen des schwachen [OIII]-Signals Hα auch weniger gestreckt - in Ordnung. Man sieht aber, dass auch hierdurch wieder die Sternintensitäten pro Farbkanal verändert wurden und damit auch die Farben ziemlich willkürlich herauskommen. Letztlich ist das aber für Bicoloraufnahmen unmaßgeblich. Es steht ja von vornherein fest, dass es sich um eine Falschfarbenaufnahme handelt (d.h. keine Farbwiedergabe wie beim farbkalibrierten RGB-Bild). Hier geht es lediglich darum, den Nebel auch an Orten mit Lichtverschmutzung kräftig wiedergeben zu können. Was ich von einem Bicolorbild des Rosettennebels erwarte? Dass der innere Bereich (wo die starken UV-Strahler stehen und den Nebel kräftig in [OIII] anregen) auch mehr Blau zeigt. Ferner ist mir das Rot zu unauffällig. Der Grünanteil ist nach meinem Empfinden immer noch zu stark. Fairerweise darf ich zum Vergleich einmal auf ein Hα+[OIII]+RGB hinweisen, welches im AdW 20-2018 vorgestellt wurde. Dieses Bild entstand im Herzen des Ruhrgebietes, hatte allerdings noch RGB für die Sterne überlagert.

Noch ein allgemeiner Hinweis. Der Bildautor schreibt: "Entrauscht wurde auch mit PixInsight über die Funktion Multiscale Linear Transform (Noise Reduction) - hier schon einmal in jedem Kanal extra und dann noch später beim fertigen Bild." Dass hierbei mit Vorsicht gearbeitet werden sollte, ist wohl selbstverständlich. Denn es muss darauf geachtet werden, dass keine Übergänge im Endbild erzeugt werden, an denen sich unterschiedlich starkes Entrauschen zeigt.

Ein großes Dankeschön an Rüdiger Graf. Das Bild hat dazu geführt, einmal näher auf ein Verfahren einzugehen, bei dem der "normale Astrofotograf" kaum an die astronomischen Fakten zum Objekt selbst denkt, sondern nur die rein technischen Handgriffe zur Bildbearbeitung vornimmt. Die Anmerkungen sind deshalb sicher als aufbauende Kritik aufzufassen und fürs nächste Mal leicht umzusetzen. Auf jeden Fall unsere Gratulation zum Astrofoto der Woche.





Peter Riepe
Bildautor: Rüdiger Graf



Koordinaten (J2000.0):
RA = 06 h 32 min 27 s, DE = 04° 47' 37"


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/23-woche-der-rosettennebel-mit-ngc-2244-als-bicolorbild/


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