36. Woche - Die Pracht des Ringnebels in der Leier

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Der bekannte Ringnebel im Sternbild Leier, Messier 57, ist als Planetarischer Nebel (PN) ein Standardmotiv. Die meisten Astrofotografen dürften ihn bereits abgelichtet haben. Heute geht es wieder um M 57. Wir zeigen ihn jedoch anders als gewohnt, nämlich als System aus innerem Kern und umgebendem Halo. Dazu dann weiter unten mehr an Detailinformationen. Björn Arnold ist der Bildautor. Björn, sei herzlich begrüßt hier im Kreis der AdW-Astrofotografen! Seine Aufnahmeserie entstand vom 16.7.-18.7.2022 in Schwäbisch Hall. Dazu nutzte er einen Ritchey-Chrétien von TS-Optics mit 200 mm Öffnung und einem Öffnungsverhältnis von 1:8, d.h. f = 1600 mm. Als Kamera kam eine StarlightXpress SX694 Mono CCD zum Einsatz. Insgesamt wurde 11 Stunden belichtet.

Björn Arnold schreibt: „Oft wird nur der helle Kern des Rings abgebildet. Mein erstes Bild dieses Objekts war nicht anders. Bei einer erneuten Aufnahme im Juli 2022 habe ich mich genauer damit befasst und mir das Ziel gesetzt, auch die noch lichtschwächeren Nebelstrukturen abzubilden. Hierzu habe ich nun jeweils 4,5 Stunden in Hα und [OIII] belichtet (je 27 Belichtungen mit je 600 Sekunden Belichtungszeit). Beide Filter habe ich an die HOO-Kombination angelehnt, bei der in der Regel Hα in den Rotkanal gelegt wird und [OIII] in Grün und Blau. Da mir persönlich diese Farbkombination nicht ganz zusagt, habe ich Hα farblich in Richtung Orange verschoben und das [OIII] etwas bläulicher abgebildet als es typischerweise eher türkis erscheinen würde. Um die Sternfarben zu korrigieren, die bei der Schmalbandkombination sonst nicht stimmen, habe ich noch ca. 2 Stunden RGB belichtet. Die Sterne habe ich fotometrisch farbkalibriert (in PixInsight) und dann die Farbe der Sterne mittels Maskentechnik ersetzt. Da dieses Objekt einen sehr hohen Helligkeitsumfang hat, kann das Bild nicht in einem Rutsch gestreckt werden. Stattdessen habe ich drei verschiedene Helligkeitstransformationen durchgeführt, um den Kern nicht überzubelichten und aber auch die feinen Nebelstrukturen darstellen zu können. Diese drei transformierten Bilder wurden dann mit Maskentechnik kombiniert.“

Zum Objekt. Planetarische Nebel (PNe, nicht PNs) sind Hüllen um einen Stern, die während seiner letzten Entwicklungsstadien zum Weißen Zwergstern als Auswurfmaterial entstanden. Nun gibt es aber nicht nur den hellen inneren PN (bei M 57 den hellen elliptischen inneren Ring). Gerade die Langzeitbelichtungen zeigen, dass im Außenraum um den PN noch lichtschwächere Halostrukturen existieren. Solche PN-Strukturen wurden bereits sehr viel früher erwähnt als „zwei konzentrische Ringe“, als „schwache Hüllen“ oder als „ausgedehnter Halo“ (Curtis 1918, Duncan 1937, Minkowski und Osterbrock 1960 und Millikan 1974). Diese Materie entstammt einem Auswurf, bei dem der Zentralstern die oberen Schichten seiner Atmosphäre in den Raum abgegeben hat. Der Auswurf kann sich aber in mehreren Episoden über längere Zeiträume abspielen. Dabei kommen – bedingt durch spezifische Eigenschaften des Zentralsterns sowie durch zeitliche Entwicklungen in der umgebenden Materie – verschiedenste Halo-Formen zustande. Hier bei M 57 reden wir von einem „multiple shell PN“ - auf Deutsch: ein PN mit einer mehrfachen Schalenstruktur.

Messier 57 befindet sich gemäß Messungen der Parallaxe (Gaia) in einer Entfernung von 2570 Lj. Interessant ist, dass diese Entfernung bereits 1987 von den Astronomen Y.-H. Chu, G.H. Jacoby und R. Arendt in der folgendenFacharbeit publiziert wurde: Multiple-Shell Planetary Nebulae. I. Morphologies and Frequency of Occurrence; Astrophys. J. Suppl. 64, p. 529 (7/1987). Dort wird für M 57 angegeben: 90" x 65" scheinbarer Durchmesser, 162" x 147" Hüllendurchmesser, Distanz 0,79 kpc = 2577 Lj. Der Zentralstern namens WD 1851+329 hat V = 15,77 mag bei B-V = -0,37 mag (knallblau). Was die Gruppe noch nicht ahnen konnte: Die modernen Weltraumteleskope ermöglichen ungeahnte Perspektiven! Unser Zusatzbild zeigt einen vergrößerten Ausschnitt: Links: aus dem heutigen AdW, rechts: aus einer Aufnahme mit dem Weltraumteleskop Spitzer. Das Bild von Spitzer zeigt eindeutig, dass zumindest vier Einzelhüllen vorhanden sind.

Noch im Bild erkennt man etwa 4' nordwestlich von M 57 eine Spiralgalaxie. Es handelt sich um IC 1296, eine Galaxie des Typs „Low Surface Brightness“. Diese SBb-Galaxie steht sehr viel weiter im Hintergrund, denn ihre Radialgeschwindigkeit von 5072 km/s entspricht einer Hubble-Distanz von ~230 Mio. Lj.

Anmerkungen: Das AdW von Björn Arnold ist überraschend vielgestaltig. Sehr schön kommen im blauen Innenbereich zwei helle Streifen zur Geltung. Die wesentlichen Schalen, die Spitzer zeigt, sind ebenfalls sehr schön zu sehen. Natürlich dürfte klar sein, dass die von Spitzer verwendete Infrarot-Wellenlänge ein etwas anderes Bild zeigt. Wer genau hinschaut, entdeckt sehr schnell die feinen Unterschiede – nicht nur im Auflösungsvermögen, sondern auch in der Struktur.

Das AdW-Team bedankt sich vielmals für dieses schöne Astro-Motiv und gratuliert Björn Arnold herzlich zum Astrofoto der Woche!



Peter Riepe
Bildautor: Björn Arnold



Koordinaten von M 57 (J2000.0):
RA = 18 h 53 min 35,1 s, DE = +33° 01' 45''



Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/36-woche-die-pracht-des-ringnebels-in-der-leier/



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