42. Woche - Neues vom Irisnebel NGC 7023

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Im Cepheus befindet sich der helle, blau leuchtende Reflexionsnebel NGC 7023. Heute, nach fünf Jahren, zeigen wir ihn wieder einmal. Seine Form erinnert an eine Schwertlilienblüte (Iris), daher wird er auch „Irisnebel“ genannt. Der Bildautor ist Wolfgang Voigt, neuer Kollege unter der AdW-Astrofotografen. Wir heißen ihn ganz herzlich willkommen! Im August 2020 besuchte er in einem Astro-Urlaub mit zwei Freunden die Emberger Alm im österreichischen Bundesland Kärnten. Dort stellte er am 20.08. in 1800 m Höhe seine Montierung des Typs Astro Physics Mach 1 auf und nutzte sein neues Takahashi Epsilon 130D u.a. für dieses AdW. Kamera war die Farbkamera ZWO ASI 2600MC. Belichtet wurde insgesamt 4 Stunden. Das Bildfeld misst 3,1° x 2,1°, Norden liegt links auf ca. 8 Uhr, Westen oben auf 11 Uhr. Als Software zur Bildbearbeitung verwendete Wolfgang Voigt PixInsight.

Der Irisnebel sitzt in einer ausgedehnten Molekülwolke, die zum so genannten „Cepheus Flare“ gehört. Die Molekülwolken der galaktischen Ebene treten stets in Gemeinschaft mit viel Gas und Staub auf. Der Staub sammelt sich ziemlich dicht in der Dunkelwolke LDN 1174, die hier im Bild nicht wegen ihrer Dunkelheit auffällt, sondern wegen ihrer geringen Durchlässigkeit für das Licht der Hintergrundsterne. Insgesamt kann der Komplex um NGC 7023 mit einer kometarischen Wolke verglichen werden: Im Kopf sitzt NGC 7023 selbst, nach Süden (rechts) setzt sich ein nebulöses Schweifanhängsel fort. Die Struktur von NGC 7023 ist bemerkenswert strähnig. Dunkelwolken werden von girlandenartigen Nebelbändern umgeben. Besonders sticht ein etwa dreieckiges Loch direkt über der Westflanke des Nebels hervor, durch welches die Sicht auf die Sterne des Milchstraßenhintergrundes freigegeben wird. Für das Leuchten der hellsten Nebelpartien ist der Herbig-Be-Stern HD 200775 (ein spektroskopischer Doppelstern) mit seinem Spektraltyp B2/B3Ve verantwortlich. Die weitere Umgebung hat eine gelborange Farbgebung, welche von der Summe der Sterne des galaktischen Bulges herrührt. Dem hellsten Teil von NGC 7023 ist eine leichte rötliche Färbung überlagert. Dieses Leuchten stammt weder vom Hα noch vom [NII] oder [SII]. Was ist es dann? Die Molekülwolke enthält ja nicht nur die üblichen Bestandteile wie molekularen Wasserstoff und Kohlenmonoxid, die radioastronomisch nachgewiesen werden. Enthalten sind auch die so genannten Polyzyklischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (A.N. Witt et al. 2006). Sie zeigen im Optischen zwischen 540 und 900 nm eine breitbandige (rötliche) Emission.

Die Entfernung von NGC 7023 ist – wie in vielen ähnlichen Fällen – nicht eindeutig klar, sondern differiert stark mit den unterschiedlichen astronomischen Messmethoden. Aus Vermessungen der Parallaxe zum Nebel gehörender Sterne (Hipparcos) wurden 1700 Lj ermittelt (van Leeuwen 2007). Im Nebelzentrum gibt es eine kompakte Zone der Sternbildung mit zahlreichen jungen T-Tauri-Veränderlichen. Darüber hinaus fand eine Astronomengruppe in der Dunkelwolke LDN 1174 ca. 20 superjunge Sterne im Alter von nur ~1 Mio. Jahren (P. Saha et al. 2020: „A census of young stellar population associated with the Herbig Be star HD 200775“, Mon. Not. Roy. Astr. Soc. 494, 5851-5871). Die Autoren vermuten, dass HD 200775 die Entstehung dieser superjungen Sterne selbst angestoßen (getriggert) hat. Anhand von Gaia-Vermessungen dieser jungen Sterne ergab sich eine Entfernung von ca. 1090 Lichtjahren. Da der scheinbare Durchmesser von NGC 7023 (im AdW selbst gemessen) bei rund 19´ liegt, kommt er auf einen wahren Durchmesser von 6 Lichtjahren.

Anmerkungen: Das Bildfeld ist sehr groß. Das ist auch gut so, denn viele Objekte zeigen erst in einem genügend großen Umfeld, wodurch ihre Formen, Farben, Dynamik und strukturellen Besonderheiten erzeugt werden. Hier bei NGC 7023 ist es der blaue Zentralstern, der form- und farbgebend ist. Mit seiner effektiven „Oberflächen“-Temperatur von ~20.000 K vermag er den Wasserstoff (insbesondere der Hα-Linie) nicht zur Emission zu bringen. Dieses Blau ist es also, das die Farbe des Reflexionsnebels bestimmt und das ich im umgebenden Bildfeld noch ein klein wenig vermisse. Die Materiewolken wirken etwas zu orangelastig. Das könnte durchaus an dem vom Autor gewählten Grad der Farbsättigung liegen. In PixInsight wird die Farbkalibrierung selbst mit dem Prozess PCC durchgeführt. Dabei werden die effektiv erzielten Farbwerte der Sterne im Bild mit Katalogwerten (z.B. Nomad) abgeglichen und korrigiert. „Allerdings“ - so schreibt der Bildautor - „verwende ich keinen kalibrieren Bildschirm, vielleicht sind die Farben deshalb noch ein wenig verfälscht.“

Jetzt noch ein Vergleich mit einem recht ähnlichen, aber älteren AdW von NGC 7023. Dazu bitte hier das Vergleichsbild anklicken. Links: Ausschnitt aus dem aktuellen AdW von Wolfgang Voigt mit dem Takahashi Epsilon 130D bei f/3,3 und ZWO ASI 2600MC, 4 h belichtet. Rechts: Das AdW 48/2010 (richtig - 10 Jahre alt!) von Fabian Neyer mit einem Borg ED101 bei f/8.8, CCD-Kamera STL-11000M, 24 h belichtet. Ich möchte es dem Leser überlassen, selbst die entsprechenden Rückschlüsse aus dem Vergleich zu ziehen.

Eine der Einflussgrößen auf die erreichte Bildtiefe (Himmelsqualität, Art und Temperatur des Detektors, Art der Optik, Belichtungszeit, Blende usw.) ist die Belichtung. Wer hat eigentlich die stärkere Belichtung erzielt, Wolfgang Voigt mit 4 h bei Blende 3,3 oder Fabian Neyer mit 24 h bei Blende 8,8? Bei Blende 8,8 ist die auf den Chip fallende Lichtmenge pro Flächen- und Zeiteinheit sicherlich deutlich geringer als bei Blende 3,3. Aber wie lässt sich das in Zahlen ausdrücken? Die durch eine Optik einfallende Lichtmenge ist umgekehrt proportional zum Quadrat der verwendeten Blende. Mit Blende 3,3 wird im Vergleich zu Blende 8,8 also (8,8 x 8,8) / (3,3 x 3,3) = 77,44/10,89 = 7,1-mal mehr Licht im gleichen Zeitraum eingefangen. Im Umkehrschluss entsprechen die 4 h Belichtungszeit bei Blende 3,3 einer 7,1-fachen Belichtungszeit = 28 h 24 min bei Blende 8,8. Fabian Neyer hat aber „nur“ 24 h belichtet, d.h. Wolfgang Voigt hat eine tiefere Belichtung erzielt. Klar – Fabian hätte sein Bild im Bearbeitungsprozess ein wenig strecken können, um eine ähnliche Deckung zu erzielen wie Wolfgang. Aber man achte auch auf die Farbunterschiede bei Sternen und Nebeln.

Das heutige AdW ist schon eine echte Bereicherung für unsere Webseite. Man muss immer wieder staunen, welche Ergebnisse gerade das hier verwendete Takahashi Epsilon 130D mit seinem Öffnungsverhältnis von 1:3,3 (= Blende 3,3) zustande bringt. Von daher eine herzliche Gratulation an Wolfgang Voigt - nicht nur zur erworbenen Optik, sondern auch zum Astrofoto der Woche!



Peter Riepe
Bildautor: Wolfgang Voigt



Koordinaten (J2000.0) von NGC 7023:
RA = 21 h 01 min 37 s, DEK = +68° 09' 48''


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeiten/42-woche-neues-vom-irisnebel-ngc-7023/


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