51. Woche - Der junge Sternhaufen Messier 16 in der HII-Region IC 4703

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Im aktuellen AdW stellen wir ein bekanntes Standardobjekt vor: Den offenen Sternhaufen Messier 16 im Sternbild Schlange. Er steckt in der großen HII-Region IC 4703. Björn Gludau und Torsten Daiber, Mitglieder der Fachgruppe Astrofotografie, haben dieses detailreiche LRGB-Bild am 13.06.2018 in Namibia auf der Internationalen Amateursternwarte (IAS) Farm Hakos aufgenomen. Teleskop war der überwiegend fotografisch verwendete AK3, ein Newton 510 mm/1888 mm mit der Apertur f/3,7. Er ist mit einem 4-zölligen Wynne-Korrektor ausgerüstet. Dazu kam eine CCD-Kamera des Typs FLI 29050. Die Belichtungszeit betrug 20 x 300 s für die L-Filterung und je 6 x 300 s für die Filterungen in R, G und B. Der LRGB-Filtersatz stammt von Baader Planetarium. Zur Software: Bearbeitung mit PixInsight, Astropixelprocessor und Photoshop CC 2021. Die Größe des Bildfeldes beträgt 25,1' x 22,6', Norden liegt oben, auch in Namibia ;-))

Der Sternhaufen M 16 sitzt in der Assoziation Ser OB1, die zum Sagittarius-Arm der Milchstraße gehört. Die Entfernung wird auf etwa 1,75 bis 2 kpc (5700 - 6500 Lj) veranschlagt (Hillenbrand et al., 1993). M 16 ist ein sehr junges Sternentstehungsgebiet im Alter von rund 4 Millionen Jahren (V.V. Gvaramadze & D.J. Bomans, 2008). Daher gibt es etliche massereiche O-Sterne, die noch nicht als Supernovae explodiert sind. Die Datenbank Simbad listet 9 O-Sterne in einem Umkreis von 11' um M 16, dazu doppelt so viele frühe B-Typen (d.h. B0 bis B2). Diese Energielieferanten sorgen für die Anregung und damit fü+r die möglich gemachte Emission von IC 4703. Klar dürfte sein, dass eine HII-Region nie solo im Universum entsteht, sondern immer (!) an interstellare Wolken gebunden ist, die das Material für die Sternbildung liefern. M 16 sitzt in der Molekülwolke W37.

Entdecker von M 16 war der Schweizer J.-P. de Chéseaux. Bereits 1745 berichtete er über den Sternhaufen, während Messier erst 1764 seine parallele Entdeckung mitteilte. Eine Klarstellung deshalb vorweg: Auf vielen Webseiten wird Messier 16 als "Adlernebel" bezeichnet. Zu Messiers Zeiten war von der Adlergestalt visuell nichts zu sehen. Ein Sternhaufen kann außerdem auch kein Nebel sein. Allerdings war es Messier selbst, der die Einbettung des Sternhaufens in einen nebeligen Hintergrund registrierte. Klar dürfte sein: Erst fotografische Aufnahmen enthüllen die Feinheiten im umgebenden Nebel und erst damit auch die Umrisse der Adlergestalt. Die Fotografie hielt aber erst in den 1840er Jahren Einzug. Also ist die Bezeichnung "Adlernebel" für M 16 selbst unzutreffend. IC 4703 ist der Adlernebel!!! M 16 bleibt der eingebettete Sternhaufen. Und so ist es auch im "Historic NGC/IC" von Wolfgang Steinicke deutlich abgegrenzt.

Die augenfälligsten Gebilde in IC 4703 sind die rüsselähnlichen Ausstülpungen und Globulen. Sie beweisen, dass und wie sich nach Bildung des Sternhaufens ein winderzeugter Hohlraum um den Sternhaufen M 16 gebildet hat. Erkennbar wird das daran, dass alle Rüsselspitzen in Richtung M 16 zeigen und von dort beeinflusst werden. Wie bei HII-Regionen üblich, zerfleddert die energiereiche UV-Strahlung im Zusammenwirken mit dem Sternenwind die Ränder der Molekülwolke. Die Rüssel sind nichts anderes als die stehengebliebenen Reste der Molekülwolke. Aber auch sie erodieren im Laufe der Zeit. Das AdW zeigt in einer sehr guten Auflösung die Szenerie um M 16 herum mit den so genannten "Säulen der Schöpfung" bei den Pixelkoordinaten (1482/1148), dazu den als "Spire" bezeichneten Rüssel bei (1000/632). Um diese Details näher anschauen zu können, bitte das Original herunterladen.

Das Zusatzbild 1 aus einer Publikation von T. Hill et al. (2012) zeigt eine Falschfarbenaufnahme, gewonnen mit dem Weltraumteleskop Herschel in den infraroten Wellenlängen 70 μm (blau), 160 μm (grün) und 250 μm (rot). Hier wird sehr schön sichtbar, dass auch der aufgeheizte Staub die Rüsselstrukturen reproduziert. Man stelle sich jetzt dieses Bild nicht als zweidimensionale Fläche vor, sondern als 3D-Raum. Der von M 16 geschaffene, expandierende Hohlraum wird sofort erkennbar. Die hellen bis bläulichen Bereiche scheinen in Richtung auf den Betrachter zuzulaufen. Von Interesse dürfte sein, dass in sämtlichen Rüsselspitzen Infrarotsterne entdeckt wurden – junge Sterne geringer Masse, die sich gerade anschicken ihr Leben als Hauptreihensterne anzutreten.

Im AdW sind übers Bild verteilt auch einzelne kleinste Dunkelwolken zu sehen, die so genannten Globulen. Das Zusatzbild 2 zeigt einen vergrößerten Ausschnitt bei (1892/1446) mit Blick auf eine „Bok-Globule“. Dieser Name geht zurück auf den niederländisch-amerikanischen Astronomen Bartholomeus Jan Bok, kurz „Bart Bok“. Er hat sich um die Erforschung der Milchstraße und der darin enthaltenen interstellaren Materie verdient gemacht. Das Bild lässt in der oberen Mitte eine kompakte Bok-Globule erkennen. Ihre dem Sternhaufen zugewandte Seite leuchtet hell in Hα. Etwas unterhalb sieht man eine im Auflösungsprozess befindliche, zerstrahlte Globule. Dazu ist der Abbildungsmaßstab von 10 Bogensekunden gelb eingetragen. Im blauen Kreis darunter ist ein Doppelstern sichtbar, dessen Komponenten 2,5'' Distanz mit Zwischenraum haben. So wird die hohe Bildauflösung deutlich.

Anmerkungen: An den Sternen lässt sich als Bildmaßstab 0,595 arcsec/px bestimmen. Das ist ein guter Wert für ein effektives Seeing-Scheibchen um 1,2". Damit ist natürlich noch lange nicht die theoretische Auflösung des Teleskops erfassbar, die liegt bei 0,26 arcsec. Was die Bildbearbeitung angeht, so sind keine wesentlichen Anmerkungen zu machen. Natürlich wird es immer Kollegen geben, denen die Sterne ein wenig zu diffus sind und nicht "knackig scharf". Aber das ist halt die im Bild festgehaltene Realität. Sterne sind keine scharf begrenzten, ausgestanzten Mikro-Flächen, sondern echte Scheibchen mit einem annähernden Gauß-Profil. Was mir auffällt: Die Farben der Sterne sind eher eine Spur wärmer, denn die vorhandenen jungen heißen Sterne sind von Natur aus blauer (in einer LRGB-Aufnahme). Aber das findet sofort eine Erklärung: Alle O-Sterne in M 16 haben Farbindizes, die mit 0,3 bis 0,5 mag eine deutliche Rötung durch den reichlich vorhandenen Staub darstellen. Also: Alles in Ordnung.

Björn Gludau schreibt zur Bildeinsendung: "Eigentlich widmet sich man in Namibia eher den Objekten des Südsternhimmels, die aus unseren Breiten schwer oder gar nicht zu fotografieren sind. Allerdings war die Idee schnell geboren, einmal M 16 und hier besonders natürlich die bekannten ´Säulen der Schöpfung´ unter perfekten Bedingungen im Zenit mit großem Gerät abzubilden. Wir sind froh darüber, die Zeit investiert zu haben." Da kann man nur zustimmen: das Bild beeindruckt in der Tat!



Peter Riepe
Bildautoren: Björn Gludau und Torsten Daiber



Koordinaten von M 16 (J2000.0):
RA = 18 h 18 min 53 s, DE = -13° 50' 46"
(auf die Objektmitte angepasst)


Vollbild unter: https://www.astronomie.de/neuigkeit...nhaufen-messier-16-in-der-hii-region-ic-4703/


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