Kein Hinweis auf DM am CERN

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Mathematisch betrachtet endet der Halo in unendlicher Entfernung, das wäre also kein sinnvoller Cutoff, zumal das dann eine mittlere Halodichte von null ergäbe.
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Ich hatte im Nachbar-Thread zur DM geschrieben dass ich die Grenzziehung für das Halo (z.B. der Milchstraße) strenggenommen für ziemlich willkürlich halte (sondern das eher für einen fliessenden Übergang halte), wurde aber 'zurechtgewiesen' dass dies nicht stimmt.

Jedenfalls gibt es mW einen Konsens für die Ausdehnung der Milchstraße (bzw. des Halos) und diesen sollte man mE wohl berücksichtigen um die Dinge nicht unnötig zu verkomplizieren und um auf ein konkretes Ergebnis kommen zu können.

Auch hier tritt die alte Problematik auf dass man je nach Quelle komplett unterschiedliche Informationen geliefert bekommt (hier zum Thema wie die DM im Halo verteilt ist):


Ich zitiere daraus:

...Über den äußeren Halo, häufig auch als Korona bezeichnet, wissen wir so gut wie nichts. Diese Korona hat vermutlich eine Ausdehnung von mindestens 200 [kpc] und muss, wie schon oben erwähnt, große Mengen an Materie in sich bergen. Sie ist letztendlich dafür verantwortlich, dass die Rotationsgeschwindigkeiten der Sterne in den Außenbereichen der Scheibe nicht mehr den Kepler- Gesetzen entspricht. Beobachten können wir diese Dunkle Materie, auch als Population III bezeichnet, nicht, sondern nur Vermutungen über sie anstellen. Es könnte sich dabei um kalte, weder optisch noch im Radiobereich sichtbare Materiewolken handeln, um Braune Zwerge, Schwarze Löcher, jupitergroße Objekte oder sogar um exotische Kernteilchen handeln, deren tatsächliche Existenz noch völlig unklar ist. Auch ist ein Gemisch aller dieser Objekte denkbar. In jedem Fall aber bleibt die Suche nach diesem geheimnisvollen, exotischen Stoff äußerst spannend...

Man mag den verlinkten Artikel als falsch, veraltet oder was auch immer bezeichnen, aber diese differierenden, sich oft gegenseitig ausschließenden Darstellungen sind halt häufig und bei vielen schwierigeren Themen zu finden.
Insgesamt ergibt das leider ein Glaubwürdigkeitsproblem für die Astrophysik, inwieweit - in vielen Bereichen - ein echter Konsens bzw. echte, unumstößliche Fakten schon wirklich gefunden wurde.
 
Sehr wenig DM im Vergleich zu baryonischer Materie:
Guo et al. 2020: Further evidence for a population of dark-matter-deficient dwarf galaxies

Sehr viel DM im Vergleich zu baryonischer Materie:
Kirby et al. 2015: TRIANGULUM II: POSSIBLY A VERY DENSE ULTRA-FAINT DWARF GALAXY

mischa
Technisch gesehen absolut korrekte Gegenargumente.

Zu Fall 1 (Guo...) ist aber mE zu erwähnen dass sich in diese Richtung - konsequent weitergeführt - gleich die ganze DM zur Disposition stellen könnte:


mit den Zitaten:

...Doch nach gängiger Theorie dürfte es solche Galaxien gar nicht geben, weil die Dunkle Materie als entscheidender „Kitt“ in der Galaxienbildung gilt...

,,, Nach Ansicht der Astronomen spricht dies dafür, dass diese 19 Galaxien tatsächlich weniger Dunkle Materie aufweisen als es die Modelle fordern...

...Entscheidend auch: „Nur fünf dieser Zwerggalaxien liegen in oder nahe von Galaxiengruppen oder -haufen“, berichten die Forscher. Die restlichen 14 stehen dagegen frei und isoliert im Raum. „Das macht es sehr unwahrscheinlich, dass ihre Dunkle Materie durch die Interaktion mit anderen Galaxien verloren gegangen ist“, so Guo und sein Team. Stattdessen scheinen diese Zwerggalaxien tatsächlich von Beginn zu wenig Dunkle Materie besessen zu haben.

Sollte sich dies bestätigen, wäre dies ein Schlag für das gängige Modell der Galaxienbildung und Dunkler Materie. Denn dieses kann bisher nicht erklären, wie Galaxien ohne diesen unsichtbaren „Kitt“ zustande kommen...
 
Insgesamt ergibt das leider ein Glaubwürdigkeitsproblem für die Astrophysik, inwieweit - in vielen Bereichen - ein echter Konsens bzw. echte, unumstößliche Fakten schon wirklich gefunden wurde.
Was erwartet du eigentlich von einem Gebiet, wo sich Fakten und wechselnde Interpretationen in atemberaubendem Tempo überschlagen? Wobei man noch differenzieren sollte zwischen scheinbar widersprüchlichen Messergebnissen, wie z.B. den verschiedene Hubble-Werten, und echten Fehlern, die gelegentlich auch passieren, wie bei jenem Bericht von einer Galaxie, die angeblich gar keine messbare DM hatte, was sich danach aber wegen einer falschen Entfernung als Trugschluss erklärte. Deshalb ist man auch gut beraten, stark von den Erwartungen abweichende Ergebnisse erst mal mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen, jedenfalls solange sie nicht unabhängig verifiziert werden können.

Wenn theoretische Spekulationen sich jenseits von jeder empirischer Nachprüfbarkeit bewegen, dann verlieren sie den wesentlichen Antrieb durch eine wechselseitige Motivation zwischen Theorie und Experiment/Observation, welche den spektakulären Erfolg der Naturwissenschaft kennzeichnet. Da sehe ich tatsächlich eine Gefahr. Und populärwissenschaftliche Medien folgen nur allzugerne solchen Spekulationen, nach dem Motto, je verrückter, desto besser. Da wuchert regelrecht ein schier unersättlicher Markt an solchen populären Darstellungen, wobei leider vieles dann missverständlich und verquer rüberkommt.
 
Und populärwissenschaftliche Medien folgen nur allzugerne solchen Spekulationen, nach dem Motto, je verrückter, desto besser. Da wuchert regelrecht ein schier unersättlicher Markt an solchen populären Darstellungen, wobei leider vieles dann missverständlich und verquer rüberkommt.

Dem kann ich nur zustimmen. Vor allem Darstellungen wie auf abenteuer-universum.de sind mit Vorsicht zu geniessen, insbsondere wenn sie von Nicht-Wissenschaftlern stammen, die ihr Wissen (wiederum zumeist aus Sekundaerquellen oder populaerwissenschaftlichen Medien) zusammenfassen. Deren Aufwand in Ehren, aber da kommt halt doch schnell Quatsch zusammen, den andere Leser dann schnell fuer bare Muenze nehmen. Um das Beispiel von kirk11 von weiter oben zu nehmen:

Zitat: "Beobachten können wir diese Dunkle Materie, auch als Population III bezeichnet, [...]. Es koennte sich dabei um [...] handeln"

Hypothetische Population III Sterne haben mit DM (nicht-baryonische Materie) absolut nichts zu tun. Und praktisch alles andere in der Aufzaehlung ist laengst (seit mind. 10-20 Jahren) ausgeschlossen, von braunen Zwergen und free-floating planets (ueber Mikrolensing), kalten Gaswolken (ueber Lyman-alpha forest in anderen Galaxien), Neutronensternen und SL (fehlende riesige Anzahl an Supernovae und das entsprechende heisse Gas in anderen Galaxien).

Zwerggalaxien sind im Zusammenhang mit DM sehr interessant, allerdings auch enorm schwer zu untersuchen und schlecht verstanden. Aufgrund ihrer extrem schwachen Leuchtkraft findet man diese nur in sehr naher Umgebung (lokale Gruppe, die nicht unbedingt repraesentativ ist), und selbst dann haben nur ein paar Sterne genug Leuchtkraft, um sie spektroskopieren zu koennen.

Dass DM defizitaere Zwerggalaxien in Simulationen evtl. unterrepraesentiert sind, ueberrascht mich nicht. Auf diesem Niveau muss man die komplexe und komplette Magnetohydrodynamik mit reinbringen, Sternentstehung, SN und AGN feedback, potentielle DM self interaction und vieles vieles mehr. Wenn die gesteckten Randbedingungen und implementierten Prozesse nicht repraesentativ fuer das echte Universum sind, oder nicht genau genug, dann ist es auch das Ergebnis der Simulation nicht, und man muss nachbessern bis man es komplett verstanden hat, d.h. das beobachtbare Universum reproduziert. Gerade diese ultraschwachen wenig massiven Zwerggalaxien sind da sehr empfindlich.

mischa
 
Vor allem Darstellungen wie auf abenteuer-universum.de sind mit Vorsicht zu geniessen,

Ich habe mal mehr auf dieser Seite gestoebert und moechte mich etwas korrigieren. Die Sachverhalte scheinen insgesamt einigermassen korrekt wiedergegeben, zumindest fuer den Zweck, die Allgemeinheit zu informieren. Weitere "Bubu"s wie das mit der Gleichsetzung von Pop-III Sternen mit DM habe ich auf die Schnelle nicht gefunden (ich habe aber auch laengst nicht alles gelesen).

Wer es genauer wissen will, sollte sich aber lieber an die Fachbuecher halten. Einige gute hat der Autor selbst aufgelistet.

LG,

mischa
 
Was erwartet du eigentlich von einem Gebiet, wo sich Fakten und wechselnde Interpretationen in atemberaubendem Tempo überschlagen? Wobei man noch differenzieren sollte zwischen scheinbar widersprüchlichen Messergebnissen, wie z.B. den verschiedene Hubble-Werten, und echten Fehlern, die gelegentlich auch passieren, wie bei jenem Bericht von einer Galaxie, die angeblich gar keine messbare DM hatte, was sich danach aber wegen einer falschen Entfernung als Trugschluss erklärte. Deshalb ist man auch gut beraten, stark von den Erwartungen abweichende Ergebnisse erst mal mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen, jedenfalls solange sie nicht unabhängig verifiziert werden können.

Wenn theoretische Spekulationen sich jenseits von jeder empirischer Nachprüfbarkeit bewegen, dann verlieren sie den wesentlichen Antrieb durch eine wechselseitige Motivation zwischen Theorie und Experiment/Observation, welche den spektakulären Erfolg der Naturwissenschaft kennzeichnet. Da sehe ich tatsächlich eine Gefahr. Und populärwissenschaftliche Medien folgen nur allzugerne solchen Spekulationen, nach dem Motto, je verrückter, desto besser. Da wuchert regelrecht ein schier unersättlicher Markt an solchen populären Darstellungen, wobei leider vieles dann missverständlich und verquer rüberkommt.
Mir ist natürlich klar dass Astrophysik / Astronomie wissenschaftliche Bereiche sind, wo noch für längere Zeit vieles nicht geklärt sein wird sowie weiter erforscht werden muß und die Ansprüche auf Konsens das entsprechend berücksichtigen müssen.

Inzwischen weiß ich gewisse Informationen schon viel besser einzuordnen in Bezug auf deren Glaubwürdigkeit, einfach weil ich schon sehr viele Artikel gelesen habe und sicher auch in diesem Forum einiges dazugelernt habe.

Aber für den Gelegenheits-Interessierten ist es schon sehr schwierig - wenn er auf die falschen Artikel gerät, dann bekommt er von vielen Themen ein ziemlich fragwürdiges 'Wissen' über den vermeintlichen Stand der Forschung.

Bei aller berechtigten Kritik an Populärwissenschaft im Bereich Astrophysik:
es liegt schon auch an den Wissenschaftlern selbst, ob sie daran interessiert sind dass breitere Kreise aus erster Hand von neue(re)n Erkenntnissen und Forschungen erfahren können.
Ich finde es z.B. ziemlich schade dass so wenige Fachpublikationen auch in Deutsch vorliegen. Diese für das deutschsprachige 'Publikum' zu übersetzen scheint sich niemand so richtig zuständig zu fühlen.
Aber selbst in übersetzter Form sind / wären viele Fachartikel für das normale Publikum mehr oder weniger unverständlich, da sie oft extrem (und ausschließlich) technisch und mathematisch gehalten werden. Mir ist schon klar dass sich nicht alles in einfachen Worten und Bildern wiedergeben läßt aber mit etwas Mühe läßt sich denke ich oft (zusätzlich) die Essenz eines Artikels in doch einigermaßen verständlichen Sätzen zusammenfassen. Ich habe in diese Richtung zumindest schon einige lobenswerte Beispiele gesehen.

Solange es in diesem Bereich substantielle Mankos gibt, darf man sich halt auch nicht wundern dass der durchschnittlich gebildetet Astronomie-Interessent sich vorwiegend auf eher populärwissenschaftliche Artikel stürzt und die Branche das 'Publikum' diesbzüglich nur zu gerne bedient - eben oft auf Kosten der Seriosität und des Wahrheitsgehaltes.
 
Zuletzt bearbeitet:
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Dass DM defizitaere Zwerggalaxien in Simulationen evtl. unterrepraesentiert sind, ueberrascht mich nicht. Auf diesem Niveau muss man die komplexe und komplette Magnetohydrodynamik mit reinbringen, Sternentstehung, SN und AGN feedback, potentielle DM self interaction und vieles vieles mehr. Wenn die gesteckten Randbedingungen und implementierten Prozesse nicht repraesentativ fuer das echte Universum sind, oder nicht genau genug, dann ist es auch das Ergebnis der Simulation nicht, und man muss nachbessern bis man es komplett verstanden hat, d.h. das beobachtbare Universum reproduziert. Gerade diese ultraschwachen wenig massiven Zwerggalaxien sind da sehr empfindlich.

mischa
Bei allem gebührenden Respekt für diese zweifellos auf hohem technichen Wissen beruhenden Ausführungen, irgendwie fehlt mir da eine wirklich konkrete Stellungnahme.

Meinst Du dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Artikels


grosso modo nicht stimmen ? Oder dass sie zwar stimmen können, aber (trotzdem) keine wirklichen Auswirkungen haben auf die aktuelle Merhheits-Meinung in Bezug auf die DM (bzw. wie diese 'funktioniert'), weil sie sich mit den aktuellen Theorien in Einklang bringen lassen ?
 
Hi Kirk,

meine Aussage war sehr konkret mit hoher Informationsdichte, aber auch wenig verstaendlich fuer Nicht-Fachleute. Wenn ich komplexe Sachverhalte vereinfacht hinschreibe, dann geht Information verloren. Die Beschreibung wird ungenau, und kann dann falsch interpretiert werden. Die Leser hier im Forum bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit, die ich nur erraten kann. Jeder einzelne der angesprochenen Punkte bgzl DM Kandidaten und deren Ausschluss ist ein RIESIGES Unterthema fuer sich; das kann ich hier nicht aufdroeseln, aber ich kann die Stichworte nennen und so kann jeder sich dann selbst nach seinen Moeglichkeiten schlau machen.

Meinst Du dass die Ergebnisse und Schlussfolgerungen des Artikels


grosso modo nicht stimmen ? Oder dass sie zwar stimmen können, aber (trotzdem) keine wirklichen Auswirkungen haben auf die aktuelle Merhheits-Meinung in Bezug auf die DM (bzw. wie diese 'funktioniert'), weil sie sich mit den aktuellen Theorien in Einklang bringen lassen ?

Den preprint des papers findest du hier:
https://arxiv.org/pdf/1908.00046.pdf

Ganz gut uebersetzen lassen kannst du es hier:

https://www.deepl.com/translator

Zwerggalaxien entsehen in vergleichsweise flachen (wenig tiefen) Gravitationspotentialen, und sind daher sehr empfindlich, was nicht-gravitative Prozesse angeht. Auf Seite 5 steht z.B., dass Supernovae Gas aus der Galaxie entfernen koennen, und DM der Gravitation des Gases teilweise folgen wuerde; dadurch wuerde sich Gravitationspotential weiter verflachen. Ausserdem koennte kaltes Gas in die Galaxie entlang von Filamenten einstroemen, und somit den baryonischen Anteil der Materie gegenueber DM erhoehen. Gas und DM bewegen sich in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Die Autoren sagen selbst, dass bessere Simulationen mit hoeherer Aufloesung erforderlich sind, um das zu klaeren. Auch kann warme DM (Neutrinos) eine Rolle spielen, etc.

Der deutsche Artikel erweckt wie so oft den Eindruck, dass etwas dramatisches passiert waere: "Streit", "Diskussion anheizen", "Schlag fuer das gaengige Modell", "eklatant". Keines dieser Worte findet sich in der Originalarbeit. Es gibt genauere Beobachtungen, die mit Sicherheit noch von anderen Teams verifiziert und / oder verbessert werden, wie auch selbst von den Autoren angeregt. Offenbar gibt es einen noch nicht verstandenen Entwicklungsprozess, der einen Anteil Zwerggalaxien hervorbringt, die weniger DM als andere enthalten. Das ist erstmal nichts mehr als "business as usual", und passiert in dieser Art staendig in der Forschung.

LG,

mischa
 
Zwerggalaxien und ultra-diffuse Objekte sind ja wohl von Natur aus schwierige Kandidaten, siehe dazu die etwas peinliche Geschichte mit der falschen Entfernung von NGC 1052-DF2, die dann zu solchen voreiligen Schlüssen geführt hat: A galaxy lacking dark matter

Die Interpretation der Resultate von Qi Guo et al. gibt sicher Rätsel auf, aber welche Arbeit an der Vorfront der Forschung ist schon völlig frei von solchen Rätseln?

Anscheinend wird die über die Radialgeschwindigkeitsverteilung bestimmte sog. dynamische Masse bei einigen Objekten bereits ausreichend gut durch die sichtbare baryonische Masse erklärt, lässt also praktisch keinen Raum für die eigentlich erwartete dunkle Materie. Das ist jedenfalls die vordergründige Evidenz. Aber möglicherweise gibt es dafür ganz andere Erklärungen.

Qi Guo et al..jpg

Credit: Qi Guo et al.

Und 19 Objekte aus einem Sample von insgesamt 324, von denen dann auch nur noch 14 isoliert dastehen, ist ja nun nicht gerade "eklatant".

Man beachte auch die vorsichtige Wortwahl der Autoren in Hinblick auf mögliche Schlussfolgerungen:

This result provides observational evidence that could challenge the formation theory of low-mass galaxies within the framework of standard cosmology. Further observations, in particular deep imaging and spatially-resolved kinematics, are needed to constrain the baryon fraction better in such galaxies.

Eine alternative Erklärung müsste sich ja nicht nur mit den 14 Ausreißern, sondern vor allem auch mit der Mehrheit von 310 befassen.
 
Nun moechte ich doch noch ein bisschen weiterfuehren wie das theoretisch ausschauen koennte, wenn DM in Richtung Kraft bzw. Kraftfeld umdefiniert warden wuerde.
Schon aus dem Grund weill ich das kurz halten kann.
Auf kompakte Materie (wie Sterne) were die Auswirkung jedenfalls vernachlaessigbar. Die Wechselwirkung mit so einer Kraft wuerde an der Gravitationswirkung de facto nichts aendern.
DM (klassisch) wirkt ja in 1. Linie ueber das Volumen und nur sehr begrenzt - in kurzen Massstaeben - ueber seine Dichte.
Die Wirkung muesste sich also auf das fokussieren was auch in grossen Volumen vorhanden ist, also z.B. Gaswolken (Wasserstoff,...) und Molekularwolken sowie allgemein nicht kompaktifizierte Teilchen.
Die hervorgerufenen Abweichungen (nach oben) punkto Gewicht und Gravitationswirkung waeren ja - wie beim klassischen Modell der DM - nur ueber groessere Volumina signifikant messbar.
 
Die Dichte der Dunklen Materie nimmt im gesamten Halo mit ca. 1/r² zum Zentrum hin radial zu, die baryonische Materie ist nur in der Scheibe konzentriert.
Lassen wir das Thema DM-Dichte im Halo zwecks naeherer Betrachtung in dieser vereinfachten Form stehen.

Fuer mich wirft das einige Fragen auf.

1. Woraus soll sich diese Verteilung ergeben - etwa aus der Anziehung der bayronischen Masse, speziell des Galaxienzentrums ?

2. Ist diese Angabe ein Postulat oder ein (abgesichertes) Messergebnis ?

3. Materie welche sich dermassen 'Formel-gerecht' ueber ein so grosses Volumen verteilt finde ich ziemlich 'schwer verdaulich', von bayronischer Masse kenne ich jedenfalls kein Vergleichsbeispiel...
 
Wir hatten ja bereits mehrmals auf die Arbeit von Navarro-Frenk-White hingewiesen, welche ein häufig verwendetes Dichteprofil für DM-Halos angibt. Dort findest du auch eine Aufzählung der wesentlichen Beobachtungen und theoretischen Argumente, welche zu der angegebenen Dichteverteilung geführt haben.

Solche Arbeiten basieren häufig auf großen Simulationen, mit denen man die Evolution einer großen Zahl von Teilchen mit einem a priori angenommenen Geschwindigkeisprofil (entsprechend einer gewissen Temperatur) über kosmische Zeiträume entwickelt. Wobei man dann ungewisse Parameter so verändert, dass sich eine möglichst gute Übereinstimmung mit den heute beobachteten Fakten einstellt.

Die technischen Einzelheiten sind sehr komplex und erfordern allein schon zum Verständnis des Jargons entsprechendes Fachwissen. Ich verfolge das aus der Perspektive eines interessierten Nebenfächlers und kann das deshalb auch nur mit gehörigem Abstand und Respekt interpretieren. Mischa wäre sicher berufener, darauf zu antworten.
 
Hi Kirk,

das Dichteprofil eines DM Halos einer Spiralgalaxie ist zwingend durch deren flache Rotationskurve vorgegeben.

https://en.wikipedia.org/wiki/Galaxy_rotation_curve

Das in diesem Link beschriebene NFW Profil ist ergibt sich nur in einem stark idealisierten, statischen, ungestoerten Szenario. Im Detail sieht das natuerlich anders aus, da Galaxien staendig miteinander kollidieren, in Haufen einfallen, verschmelzen, etc etc.

In diesem Video siehst du im Hauptpanel die Gasdichte und spaeter die Metallizitaet (Anteil "schwerer" Elemente, d.h. anderes als H und He). Unten links die Verteilung der dunklen Materie, unten rechts die Sternverteilung sowie die Verteilung des Gases.

https://www.tng-project.org/movies/tng/tng50_single_galaxy_formation_g1_1080p.mp4

DM und DE sind unzweifelhaft vorhanden. Das heisst, es gibt Effekte, die sich mit "einfachem" relativistischen Verstaendnis von baryonischer Materie, Gravitation und Raumzeit nicht erklaeren lassen. Ob es sich tatsaechlich um neue Materiekomponenten und / oder unbekannte Eigenschaften der Raumzeit und der Gravitation handelt, ist offen. Die zahlreichen Experimente, die wir durchfuehren, um das genauer zu verstehen, sind letzten Endes unabhaengig davon, ob wir DM als neue Materieart ansehen oder nicht, ob DE eine intrinsische Eigenschaft der Raumzeit ist oder ein Effekt, der sich aus unserem Standort in einem moeglicherweise nicht-homogenen Universum ergibt.

Die flache Rotationskurve der Milchstrasse laesst sich evtl. auch rein allgemeinrelativistisch erklaeren, wenn man die Feldgleichungen fuer eine statische scheibenfoermige Materieverteilung konsequent loest, ohne die ueblichen Vereinfachungen und Linearisierungen zu machen:

https://arxiv.org/pdf/1810.04445.pdf

Und um ganz korrekt zu sein, muesste man auch noch mit dazunehmen, dass sich Gravitation nur mit endlicher Geschwindigkeit ausdehnt. Die Gravitation, die Galaxien heute spueren (ich meine ihre Bewegung im Raum, nicht die Rotation), wird durch die grossraeumige Verteilung der Galaxien in der Vergangenheit bestimmt. Das fuehrt zu etwas was man im englischen als "retarded gravitational distortions" bezeichnet. Eine kosmologische Simulation mit voellig korrekter allgemeinrelativistischer Beschreibung durchzufuehren, ist meines Wissens nach jenseits momentan vorhanderer Moeglichkeiten des Supercomputings (gleiches gilt uebrigens fuer MOND, eine Abwandlung der klassischen Newtonschen Dynamik).

Die korrekte Beschreibung der Natur wird sicher gefunden werden, egal wie der momentane "mainstream" in der Kosmologie aussieht.

LG,

mischa
 
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Die flache Rotationskurve der Milchstrasse laesst sich evtl. auch rein allgemeinrelativistisch erklaeren, wenn man die Feldgleichungen fuer eine statische scheibenfoermige Materieverteilung konsequent loest, ohne die ueblichen Vereinfachungen und Linearisierungen zu machen:

https://arxiv.org/pdf/1810.04445.pdf
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Ist das so zu interpretieren dass dieser Ansatz die Rotationskurven in (Spiral-)Galaxien OHNE DM zu erkllaeren / berechnen versucht ?

In Bezug auf die DM-Dichte in Zwerggalaxien (ohne Bulge / SL im Zentrum der Galaxie):
gibt's da auch eine 'Annaeherungsformel' oder muss das ganz individuell berechnet werden ?
 
https://arxiv.org/pdf/1810.04445.pdf
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Ist das so zu interpretieren dass dieser Ansatz die Rotationskurven in (Spiral-)Galaxien OHNE DM zu erkllaeren / berechnen versucht ?

Ja. Einerseits ist es erstaunlich, andererseits nicht. Die Feldgleichungen wirklich komplett und korrekt in eine Vielteilchen-Simulation einzubinden ist extrem aufwaendig da nicht-linear. Ich bin da bei weitem kein Experte. Das oben verlinkte GAIA Paper macht selbst eine ganze Reihe Vereinfachungen. Was von den flachen Rotationskurven uebrig bleibt, oder ob sie bestaerkt werden wenn man eine nicht-statische Scheibe und einen Bulge mit hinzunimmt, kann ich nicht sagen. Genausowenig, wie das auf Skalen von Galaxienhaufen aussehen wuerde, oder auf das ganze Universum angewandt.

Jedenfalls zeigt das paper sehr schoen, was die neuesten Praezisionsmissionen wie GAIA alles ermoeglichen, und dass Wissenschaftler keineswegs betriebsblind sind.

In Bezug auf die DM-Dichte in Zwerggalaxien (ohne Bulge / SL im Zentrum der Galaxie):
gibt's da auch eine 'Annaeherungsformel' oder muss das ganz individuell berechnet werden ?

Dazu kenne ich keine Literatur.

mischa
 
Ich halte das jedenfalls schon fuer eine ziemlich ueberraschende moegliche Wende bzw. alleine schon dass dieser neue Erklaerungsansatz ernsthaft in Betracht gezogen wird.
Eine Erklaerung also von Rotation und Zusammenhalt der Galaxien ohne DM (egal ob auf der Basis von Teilchen oder eine Art Kraft)...

Eine Feuertaufe dafuer koennte sein, wie man dann das Verhalten von (Zwerg-)Galaxien erklaert, welche im Verhaeltnis z.B. von 400:1 (1 = klassische Materie) aus DM bestehen soll.
 
Soweit ich das verstehe geht es dabei eben nicht um eine modifizierte Gravitationstheorie wie z.B. MOND, sondern um eine - durch eine Unmenge an neuen Daten induzierte - sehr aufwaendige und detailgenaue (nicht-lineare) Neuberechnung aller Faktoren welche (u.a.) fuer das Rotationsverhalten von Sternen in Galaxien relevant sind.
Mit dem wohl sehr ueberraschendem Ergebnis dass DM (moeglicherweise) gar nicht postuliert werden muss um das Verhalten der bzw. in Galaxien nachvollziehen zu koennen.
Wie bei allen anderen Thesen muss sich diese aber erst in den verschiedensten Szenarien (allein schon bezogen auf Galaxien) bewaehren um auf Dauer 'ueberlebensfaehig' zu sein...
 
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