Nahaufnahmen mit meinem Newton unscharf

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RudiRoss

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Hallo,

ich habe einen Orion N203/1000 Newton und mich würde mal interessieren, was ich von "Nahaufnahmen" mit meinem Newton an Schärfe erwarten kann. Dazu habe ich mein Teleskop bei Tag im Garten aufgestellt und per Okularprojektion fotografiert: Panasonic Lumix G70 --> Adapter --> Baader Hyperion 5mm Okular --> OAZ --> N203/1000
Zwei Beispiele dazu:
1. Turmspitze (Blitzableiter) einer Schule in ca. 110m Entfernung: Blitzableiter
2. Dachfirst Endkappe eines benachbarten Hauses in ca. 35m Entfernung: Dachfirst

Die Bildschärfe überzeugt mich erstmal nicht. Wenn ich mir dann vorstelle, dass ich Mond, Planeten und Deep-Sky-Objekte scharf sehen möchte und ich kriege schon in der Nähe nichts scharf, wo liegt also das Problem.

Ein paar Überlegungen und Fragen von mir dazu:
- Liegt es daran, dass die ganze Optik eines Newton für so nahe Objekte nicht geeignet ist? Lichtstrahlen aus dem All treffen parallel auf den Spiegel auf. Ein 3cm dicker Blitzableiter in 110m Entfernung füllt aber immerhin noch 1 Bogensekunde aus.
- Nach der Formel Auflösungsvermögen = 138/Öffnung komme ich auf ein theoretisches Auflösungsvermögen von 0,68 Bogensekunden (vgl. Blitzableiter entspricht 1''). Kann ich also schon zufrieden sein damit, dass ich quasi etwa drei Linien auf die Entfernung auseinanderhalten kann?
- Bei Betrachtung mit dem Auge habe ich kleine Fliegen oder ähnliches auf dem Metall des Blitzableiters herumspringen sehen. Das bedeutet, dass das Auflösungsvermögen besser sein muss. Habe ich mir verrechnet?
- Mit Seeing kann es wohl nichts zu tun haben auf die paar Meter.
- Mit Koma kann es meiner Meinung nach auch nichts zu tun haben, da ja wenigstens die Mitte des Bildes OK sein müsste.
- Ist das schon alles, was ich von einem 300-Euro-Netwon erwarten kann (billiger Spiegel etc.)?
- Ist die Okularprojektion ungeeignet, da das Okular für die gebogene Netzhaut gerechnet ist und nicht für einen flachen Kamerasensor?
- Könnte man bei Tag eigentlich auf die Weise kollimieren? Es wird ja immer von Kollimation am Stern gesprochen, aber warum denn nicht an der Torx-Schraube des Nachbarn?

Ich würde mich freuen, wenn Ihr Euer Wissen und Eure Gedanken dazu mit mir teilt.

Viele Grüße
Rudi
 
Hallo Rudi,

ich nehme mal an, Du kommst mit dem Okularauszug nicht mehr richtig in den Fokus, weil dessen Weg nicht lang genug ist. Prinzipiell können Newtons auch nahe Objekte scharf abbilden, jedoch ist der Okularauszug meist auf astronomische Objekte ausgelegt. Du kannst versuchen den Weg zu verlängern, indem Du eine (zusätzliche) Verlängerungshülse in den OAZ steckst oder Du suchst ein Objekt in größerer Entfernung (Kirchturm). Hinzu kommt, dass du mit der Okularprojektion über ein 5mm Okular die rechnerische Brennweite stark erhöhst. Das macht es noch schwieriger in den Fokus zu kommen und ist der Bildschärfe nicht unbedingt zuträglich. Ich würde es mal ohne Okular versuchen (wenn der Newton fotografisch ausgelegt ist) oder ohne Kamera durch das Okular schauen.

Grundsätzlich sollte der Newton mehr können, wenn er gut justiert ist. Bevor Du also Deinen Stab über ihm brichst, teste ihn mal am Nachthimmel. Wenn Du fotografieren möchtest, teste mal ob Du ohne Okular mit der Kamera in den Fokus kommst (z.B. am Mond oder einem sehr hellen Stern (Vega z. B.). Es gibt Newtons die so ausgelegt sind, dass man mit dem Okular ohne Verlängerungshülse in den Fokus kommt. Da wird das Fotografieren mit der DSLR sehr schwierig. Okularprojektion würde ich persönlich nicht machen, dass Bild wird selten wirklich gut. Und wenn es doch sein muss dann würde ich Okulare mit längeren Brennweiten nehmen, so 20-30mm. wenn Du in die Astrofotografie einsteigen möchtest, würde ich mich noch ein wenig tiefer in die Materie einlesen. Plug&Play funktioniert hier, meiner Erfahrung nach, meist nicht.

Viele Grüße
Michael
 
Hallo Rudi, @RudiRoss ,

wenn ich es richtig verstanden habe, versucht Du per Okular-Projektion mit einem Hyperion Okular zu fotografieren? Das habe ich auch mal probiert. Die kurze Geschichte: "Vergiss es!" - die lange Geschichte hier in diesem Thread.

Die gute Nachricht, deinem Newton fehlt vermutlich nichts, trotzdem könnte es sein, dass Du nur schwierig und mit speziellen Adaptern mit Deiner Kamera und dem Newton in den Fokus kommst. T-Minus Adapter ist das Stichwort. Vielleicht hilft Dir mein Beitrag wie ich eine Olympus an meinen 10" Galaxy f/5 Newton erfolgreich anschließen konnte und damit dann in den Fokus gekommen bin.

Viel Erfolg - MünchenBeiNacht - Ewald
 
Prinzipiell können Newtons auch nahe Objekte scharf abbilden, ...
Hallo Michael, nein, das können sie nicht!
Ein Parabolspiegel bildet nur Objekte aus dem Unendlichen scharf ab (parallele Strahlen).
Ein sphärischer Spiegel bildet nur Objekte aus dem Krümmungsradius (= doppelte Brennweite) scharf ab.
Um Objekte in einer Entfernung zwischen Krümmungsradius und unendlich scharf abzubilden, braucht es einen ellipsoiden Spiegel (Konische Konstante CC zwischen 0 und -1).

Ein Parabolspiegel zeigt bei endlichen Entfernungen sphärische Aberration (SA) in Form von Überkorrektur. Genau aus diesem Grund muss ja ein künstlicher Stern in einer gewissen Mindestentfernung aufgestellt werden, damit die SA klein genug bleibt. Siehe z.B. bei H.R. Suiter "Star Testing Astronomical Teleskopes" Seite 83 ff, oder direkt hier:

Der SA Fehler ist bei einem 203/1000 mm Teleskop am 110 m entfernten Blitzableiter jedoch nur noch ca. Lambda/20 (P-V), das ist sehr wenig. Der Hauptgrund für die Unschärfen muss somit ein anderer sein. Am ehesten tippe ich auf bodennahes Seeing, das am Tage auch bei kürzeren Entfernungen erheblich sein kann, bei Sonnenschein sogar fürchterlich, sowie Abbildungsfehler des Okulars, das ja mit Sicherheit nicht für Okularprojektion optimiert ist. Weitere mögliche Fehler wären Fokus nicht getroffen, schlechte Justage, schlechte Spiegel.

Fazit: Endlich weit entfernte Objekte bei Tage, und das auch noch in Okularprojektion ist so ziemlich die schlechteste Methode, um eine Astro- Optik belastbar zu testen. Ok, wenn das Objekt visuell beim Blick durchs Okular bei mittlerer bis höherer Vergrößerung gut in den Fokus schnappt, kann man immerhin sagen, dass die Justage ordentlich ist und man keine Vollgurke erwischt hat. Für Genaueres braucht es einen echten Stern, oder wenigstens einen künstlichen Stern in hinreichend großer Entfernung.
 
Hallo Stathis,

ok, wieder was gelernt :cool:. Das die Abbildung terrestrischer Objekte nicht optimal ist wusste ich, aber die prinzipielle Beschränkung der scharfen Abbildung auf das unendliche war mir nicht bekannt. Auch im Hinblick auf den Test am künstlichen Stern war mir der Zusammenhang zwischen SA und der Entfernung so nicht klar. Ich dachte die notwendige Entfernung hängt vom Durchmesser der Lichtquelle ab. Ist doch gut wenn man ab und zu mal an jemanden gerät der sich wirklich auskennt.

Beim Fazit stimme ich Dir zu.

Viele Grüße
Michael
 
Hi Rudi,

damit einen Newton zu beurteilen macht einfach keinen Sinn.

Es ist ja schon vieles dazu gesagt worden.
Es kommt noch dazu, dass bei Tag der Kontrast eines Newtons sehr schlecht ist, da du ja gegen ganz viel Streulicht schaust.
Dafür sind die nicht gemacht.

Aus meiner Erfahrung und da das auch noch Okular-Projektion ist, kann ich sagen, dass die Aufnahmen gar nicht so schlecht sind. ;)
Aber man erkennt das flaue Tageslichtbild.
Wenn du Fliegen auf dem Blitzableiter gesehen hast, dann ist alles ok. ;)

Gruß
Peter
 
Hallo,

klasse, wie schnell und umfangreich Ihr geantwortet habt, vielen Dank!

Offenbar ein spannendes Thema, bei dem nicht nur ich dazu lerne. :)

Mit Okular-Projektion war es kein Problem den Fokus zu erreichen. Zur Not kann man dabei ja auch ein wenig schummeln und das Okular ein wenig aus dem OAZ herausziehen, auch auf die Gefahr hin, dass das Okular dann leicht verkippt im OAZ sitzt.

Ich habe mein Teleskop dann heute gleich wieder aktiviert: Es ist in 1,6km Entfernung ein Kran aufgebaut worden, den ich mal angepeilt habe. Außerdem habe ich den Blitzableiter nochmal abgelichtet und zwar beides diesmal per fokaler Projektion, also DSLM --> OAZ --> Tubus.
Da die Vergrößerung hierbei deutlich geringer ist, fällt die Unschärfe auf den ersten Blick nicht auf. Auch bei dieser Projektion ist es mir gelungen, den Fukus zu erreichen. Mein Eindruck von der Bildschärfe ist aber nicht besser als bei der Okular-Projektion.

Bei dem Sonnenschein sah man beim Betrachten des Krans massives Seeing.

Viele Grüße
Rudi

P.S.: Das das Teleskop und ich nicht ganz fehljustiert sind, könnt Ihr an meinem - wie ich finde - schönen Mondfoto sehen. Nachbearbeitet mit dem tollen PSS. :cool:
 

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Starke Kontraste wie Zweige von Bäumen gegen den Himmel sind tagsüber zum Test der Kollimation durchaus geeignet. Mit der Zeit weiß man, wie die auszusehen haben, wenn alles in Ordnung ist. Aber ich kollimiere nicht damit, da sind mir Concenter und Laser lieber.

Ein Spiegellüfter, der hinter dem Hauptspiegel Luft aus dem Tubus saugt, hilft auch tagsüber ein ganzes Stück weit zu einem schärferen Bild. Viel Seeing findet im Tubus statt!

Michael
 
Hi Rudi,

natürlich kann man nicht nur an Hand deiner Bilder die Justage des Newtons einschätzen.
Ich kann aber wieder nur sagen, der Newton ist nicht unbedingt für Tageslicht gebaut und mM sehen deine Bilder prinzipiell ganz in Ordnung aus.

Also wenn du da wirklich einsteigen willst, hier noch ein paar Hinweise:

Es gibt Testtafeln auf denen Testobjekte (Saturn, Streifen, Doppelsterne) abgebildet sind.
Die muss man in einer bestimmten Entfernung aufstellen und dann sollte das Teleskop bestimmte Dinge davon auflösen.
Sorry, habe gerade kein Link.

Test an herausgesuchten Doppelsternen mit einem bestimmten Abstand. Eigentlich sehr gut, aber sehr abhängig vom Seeing!

Test am defokussierten Stern, Beugungsbilder. Braucht Erfahrung, auch abhängig vom Seeing!

Test am Stern mit Ronchi (Gitter). Bild mit standardisierten Ronchi Bildern (können auch berechnet werden) vergleichen. Sehr aussagekräftig. Bild sollte mit einer Kamera gestackt aufgenommen werden. Auch abhängig vom Seeing!

Gruß
Peter
 
Hallo in die Runde,

Testtafel kenn ich noch vom alten ITV Standort. War dort ein netter Zeitvertreib wenn es, wie zu oft bewölkt war. Aus der Abbildung aber Rückschlüsse auf die Abbildung am Nachthimmel zu ziehen war kaum möglich. Das gleiche Teleskop am Nachthimmel war dann perfekt und der sprichwörtliche Unterschied wie Tag und Nacht. Bei Sonnenschein war es durch Lufturbulenzen kaum möglich auf der Testtafel was zu trennen. Gegen Abend in der Dämmerung ging es dann schon besser. Kleinere Refraktoren waren den offen konstruierten Lichteimern aber oft überlegen, was sich dann aber Nachts schnell umkehrte.
So flach bei Sonnenschein, und auch ein Kirchturm oder eine Kranspitze sind unter diesem flachen Winkel zu sehen, ist das allenfallls interessant anzusehen, aber für eine Bewertung der Optik nicht zu gebrauchen.
Abgesehen davon zerstört dir das eindringende Streulicht den Kontrast. Dagegen kannst du versuchen mit einem dunklen Tuch den Tubus hinten zu verschließen.

Gruß Thomas
 
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