Frank, Du sprichst mir aus der Seele. Ich bin der Sternfreund, der Jochen zu dieser Anschaffung bewogen hat. Ich freue mich über sein Vertrauen, und besonders darüber, dass er seinerseits nun an dem Glas so viel Freude hat. Ich habe es bisher vermieden, in den Foren über meine Beobachtungen mit dem 20x60S zu schreiben weil ich nicht erleben wollte, wie ein solcher Thread mit freudlosen Spekulationen verwässert wird. Jochen hat da eine dickere Haut, was ich prima finde. Da nutze ich jetzt die Gelegenheit, meinen First-Light-Bericht mit diesem Glas, den ich bisher nur in handschriftlichen Notizen hatte, hier zu präsentieren. Da ich meine, dass er Einiges über das Glas aussagt, erlaube ich mir, ein wenig ausführlich zu werden.
30. Sep. 2021, First Light für Zeiss 20x60S, 1-2 a.m., FST >5m0:
Wohin ich auch schaue sind die Himmelsobjekte hell, gross und sehr zufriedenstellend. Die Erfahrung ähnelt einer Mischung aus dem
15x60 Miyauchi plus meinem 80mm Doppeltelekop bei 18x-25x, aber mit der Freiheit des Handgehaltenen.
Offener Sternhaufen NGC 752 in Triangulum ist reich (Dutzende von Mitgliedern) und überraschend gross. Er erreicht eine Ausdehnung von 1°-plus wie im Interstellarum Deep Sky Atlas kartiert, d.h. bis 56 And reichend, so ausgedehnt habe ich ihn nie zuvor in einem handegehaltenen Glas gesehen.
Offener Sternhaufen Caroline's Haystack NGC 7789 in Cas sehr reich, Dutzende nadelfeine Lichtpunkte an der Wahrnehmungsschwelle.
Andromeda-Galaxie M31 mächtig, >2° und scheint an den Enden gebogen zu sein. Dies ist die bemerkenswerteste Sichtung der Nacht, den diesen "Warp" an den Enden der Galaxie habe ich bisher nur in größeren Doppelteleskopen gesehen, nie zuvor in einem handgehaltenen Instrument.
Im Zeiss 10x56 sehe ich nicht die M31-Begleitgalaxie M110, im 20x60S wird sie jedoch deutlich als gestreckten Nebelfleck, ca. 15 Bogenminuten Länge.
Campbell's Hyrogen Star in Cygnus mit indirektem Sehen erblickt.
Pacman-Nebel NGC 281 ist eine weitere Überraschung, da ich gar nicht erwartet hatte, dass das Zeiss 20x60S eine exzellente Transmission im Blauen haben würde. Der Nebel is sofort auffällig, 1/2° gross, rundlich. Mein bisher schönster Anblick dieses Objektes ohne Nebelfilter.
Pleiaden M45 geradezu überwältigend. Dieses Fernglas sollte "Pleiaden" getauft werden. Der ganzer Sternhaufen scheint in Nebligkeit getaucht, besonders um manche der helleren Mitglieder. Ich hätte nicht geglaubt, dass dies alles Reflexionsnebel sind, aber die Nebligkeit fehlt östlich der Sternkette "Ally's Braid" - dies bedeutet, dass die Nebulosität real ist und nicht Geschmier oder Überstrahlung im Himmel, im Fernglas oder in meinem Kopf. Dies ist der bester Anblick den ich je von Haufen+Nebel hatte. Die Positionen der gesehenen Nebelverdichtungen finde ich post-Beobachtung gut durch jene im Foto der Pleiaden im Interstellarum Deep Sky Guide bestätigt.
... und so weiter, ein Dutzend Himmelsobjekte später ...
Orion-Nebel M42 bildet den Abschluss der Deep-Sky-Tour. Sehr, sehr kräftige Erscheinung. Proboscis Major stark und gut definiert. Pr. Minor eine riesige, breite Fläche glühenden Gases.
Zum Abschluss der Nacht zeigt der ein-Drittel-voller abnehmender Mond eine von Handferngläsern bisher unbekannte Detailfülle. Dachte, ich sehe einen Zentralberg in Copernicus. Klare Sichtung von zwei dunklen Flecken am Boden von Schickard.
Nach der Zahl der mit Genuss gesehenen Himmelsobjekten gemessen war dies wohl die intensivste Stunde die ich je unter'm Himmel hatte. Gute 20 Objekte sofort gefunden und konzentriert betrachtet, darunter ein paar Best-Ever-Sichtungen.
Die Art, wie der Pacman-Nebel sich zeigte, verriet, dass die Transmission des Zeiss 20x60S im Blauen sehr gut ist. Das ist eine wichtige Sache für galaktische Nebel und auch für externe Galaxien (was sich in späteren Beobachtungen bewahrheitete).
Schärfe in Feldmitte ist ein klassisches Ziel bei Zeiss. Ein bemerkenswerter Beleg der Schärfe und Streulichtfreiheit in Feldmitte kam zehn Tage später: Ich konnte handgehalten, stehend ohne irgendwelche Abstützung, die
Lücke zwischen Planetenscheibe und Ringe des Saturn erhaschen. Ich konnte das zunächst nicht glauben. So habe ich das Glas auf ein Stativ geschnallt - und ja, nun war die Lücke deutlich und einfach zu sehen.
(Diese Sichtung war im September 2021. Damals waren die Ringe weiter geöffnet als jetzt. Ich erwarte nicht, dass eine solche Sichtung in der aktuellen Saturn-Saison 2022 handgehalten gelingt.)
Die beachtliche Qualität in Feldmitte wurde in den folgenden Monaten durch häufige Beobachtungen der
Venus-Sichel unter Beweis gestellt. Die Flächenhelligkeit und der heftiger Kontrast der Venus gegen den dunklen Himmel überfordert viele Ferngläser. Nicht so das Zeiss 20x60S, welches fast bis zur Dichotomie (d.h. zur Halb-Venus) die Form schön zeigte und eine einigermassen genaue Schätzung der Phase in Prozent erlaubte. Es wurde für mich ein regelmäßiger Abendspass, zwei Minuten lang mit dem 20x60S und dem Zeiss Victory FL 7x42 (ein weiteres Fernglas welches mit der Venus gut klarkommt) den Planeten zu beschauen.
Seit der Ankunft des Zeiss 20x60S haben das Canon 10x42 IS und das Canon 15x45 IS ihre Taschen nicht verlassen. Sie werden bestimmt irgendwann wieder zur Anwendung kommen wenn es ein besonderes Ereignis gibt, etwa einen grossen Kometen. Sie haben mir in der Vergangenheit so viel Freude gemacht, dass ich sie nicht wegschicke. Seit zehn Monaten regiert aber das Zeiss 20x60S.
Christopher