- Aus archivarischen Gründen stelle ich hier noch meinen Leibnitz-Berge-Bericht ein: -
Der Abend des 22.März 2019 ab 22:41 Uhr, Mondlibration Süd, abnehmend 95% beleuchtet.
Dicke Tropfen sitzen auf den Schutzhüllen meiner Papiere, während sich die offenen Seiten lustig im feuchten Licht des Mondes zu wellen beginnen und traurig an der Kante meines Beistelltischchens herabhängen.
Es ist nach 01:00 Uhr und meine Finger sind so kalt, dass ich es nur noch mit Mühe schaffe, die Feststellschräubchen beim Okularwechsel zu drehen. Ohnehin tue ich das nur, um noch mal das letzte Quentchen klare Sicht rauszuholen, denn mein Arbeitsokular ist unaufwärmbar beschlagen und so gehe ich mit meinem alten Seben Zoom und 2x Barlow bei 300fach noch mal ganz nah ran, bevor der Hochnebel endgültig die Mondoberfläche verbirgt.
Nach den Tagen der Recherche gelingt mir zu Beginn des Abends fast zu einfach die sichere Deutung der Südpolregion und das Auffinden dieser sich mir entziehenden Leibnitz-Berge.
Link zur Grafik:
http://www.astrotreff.de/upload/Henning81/20190323/SouthpolenachWhit.jpg
Zwar reicht meine handabgepauste Whitakerskizze nur bis zum Südpol und östlich von diesem, und dementsprechend hat mir meine Faulheit die Anreise weiter westlich mal wieder unnötig schwer gemacht, doch erkenne ich schnell die M-Berge wieder, von denen ich mich über den Krater Malapert zu Leibnitz Beta und daneben den Krater Scott vorarbeite. Immer über die Vordergrundkrater verifizierend, weiter zu Demanax, und kurze Zeit später und etwas den Anblick geniessend, erlaube ich mir zu behaupten, das Geheimnis der Leibnitz-Berge gelüftet zu haben.
Wirklich, nach Stunden der Trockenübungen auf Papier und Bildschirm und endlosem Vergleichen von Karten und Fotos, endlich bin ich am Ziel.
Nun, da der Abend noch Potenzial verspricht, schlage ich die Lunar100 Liste nach Mondalter auf und bemerke mein zweites Versäumnis: Ich weiss nicht, welchen Mondtag wir haben. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass ich die Liste selbst gleich im Haus vergessen hatte und erst noch holen musste.
Kurz denke ich nach , komme zum falschen Ergebnis und nehme kurzerhand die Vorschläge für die Tage 2-4, ausserdem versuche ich Drygalski, der aber nach eingehender Betrachtung hinterm Horizont zu liegen scheint oder aber zu platt in der Sonne. Den erlaube ich mir jedenfalls nicht, warum auch, meinen heutigen Erfolg habe ich ja schon.
Dann Rheita Valley, ein dynamischer Name, und imposant ist es anzusehen.
Mein Weg zu den Formationen geht so:
Liste nach Mondalter, dann Detailinfo in der eigentlichen Liste,
dann Stichwortsuche im Rükl, Kartenblatt aufschlagen, finden, fertig.
So besuche ich wild zusammengewürfelt Petavius als Wegweiser, weil ich ihn bereits abgehakt hatte, das Mare Australe, welches ich mir, halb im Schatten liegend, erlaube, die Langrenus Rays, Proclus, Messier und Messier A, Taruntius, die Cauchy Region mit ihren Rillen und so weiter, und die Atlas dark halo craters, also den Krater Atlas mit seinen dunklen Flecken.
An der Janssen Rille beisse ich mir fast die Zähne aus und hier ist es auch, wo ich nochmal auf 300fach gehe, bevor der Nebel dicht macht.
Mit äusserster Mühe erkenne ich zweimal die feine Rille beim Krater, den ich von Cauchy ausgehend nordwestlich noch auf der Rüklkarte entdeckte, schwanke aber auf dem Weg zurück ins Haus, ob ich mir den Eintrag in die Liste nicht besser zu einem späteren Zeitpunkt bei sichererer Sichtung erlauben soll.
Diese Zeilen verfassend bemerke ich erst meinen Fehler:
Die ganze Zeit habe ich mich an Jansen mit seiner popeligen Rille abgemüht, sie sogar gesehen, während sich Krater JanSSen unweit des Rheita Valley wahrscheinlich in besserer Beleuchtung und mit viel einfacherer Rille ob meines Irrtums ins Fäustchen lachte.
Wahrscheinlich war mein Blick sogar über ihn gestreift, als ich vom Rheita Valley ausgehend über die Doppelkrater Steinheil/Watt ins Mare Australe vorgedrungen war. Gut, dass ich jetzt darüber lachen kann.
Zufrieden, auch meiner leichten Unwissenheit geschuldet, packte ich noch schnell zusammen, verzweifelte fast am Reissverschluss meines Teleskopzeltes, und ging ins Haus. Was für ein Ausflug.
Ich danke hier nochmal allen Mitlesern und Tippgebern, es ist so, ohne
all die Hinweise hätte ich es nicht geschafft und mir wäre ein grossartiger Abend und viele Stunden der intensiven Auseinandersetzung mit der Südpolregion unseres Mondes verwehrt geblieben.
CS,
Henning