Wellenlängen aus RGB-Daten bestimmen

Papa Brummbär

Aktives Mitglied
Hallo Astrofreunde,

ich bin schon seit einiger Zeit dabei aus den RGB-Bilddaten die "Lichtwellenlänge" zu bestimmen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher ob ich da auf dem richtigen Weg bin. Ich schildere mal kurz was ich da mache und wäre froh von den Profis mal einen Rat oder Meinung dazu zu "hören".

Folgender Ansatz ich mache Aufnahmen mit der ASI2600MC ohne Filter, nur der Kamerainterne IR-UV-Cut-Filter. Somit ist der Wellenlängenbereich auf 400 - 700nm eingeschränkt.

Die Kamera selbst hat folgende RGB-Spezifikation: ASI2600MC Pro

ASI2600MCRGB.jpg


Dies würde bedeuten, das wenn der RGB-Pixelwert einem Punkt in dem ob abgebildeten Diagramm entspricht, dann kann man die Wellenlänge ablesen.

Wenn ich jetzt aus der Rohaufnahme einen Stern nehme (keine Kalibrierung, Strecken usw.):

RGB.jpg

Sieht man einen mehr oder weniger "rötlichen" Stern, ein Pixel hat z.B. die Werte:

R = 137
G = 59
B = 31

Setzt man die Einzelwerte ins Verhältnis zu R
dann erhält man

R = 137/137 = 1,00
G = 59/137 = 0,43
B = 31/137 = 0,22

Dieses Verhältnis liegt bei ca. 690nm vor. Kann man wenn man dies über den ganzen Stern macht dann davon ausgehen dass der Mittelwert der Lichtwellenlänge von dem Stern entspricht?

Was meint Ihr dazu?

LG und CS
Hampo
 
Sieht man einen mehr oder weniger "rötlichen" Stern, ein Pixel hat z.B. die Werte:
Ich denke das ist wohl nicht so einfach... erstens kommts auf die Höhe des Sterns an, da können die atmosphärische Dispersion zusammen mit der Lage im Bildfeld und die Aberrationen der Optik eine Rolle spielen. Welchen Pixel des Stern soll man also messen?

Deine Abbildung zeigt bei einem Messfeld über 11x11 Pixel zB gemittelt:

R 250
G 252
B 228

Bildschirmfoto 2022-05-21 um 16.19.05.png

Bildschirmfoto 2022-05-21 um 16.17.46.png


lg
Niki
 
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Du musst bedenken, dass Sterne ein kontinuierliches Spektrum haben, also man höchstens das Strahlungsmaximum der Kurve bestimmen kann
 
Danke für die Infos, klar müsste man den gesamten Stern vermessen und danach einen Mittelwert oder so bilden. Das mit der Höhenlage/ Winkelposition und der Optik ist natürlich so eine Sache, aber wie ist es den wenn die Kollegen mit den Teleskopen Spektren aufnehmen sind da nicht die gleichen Problem? oder verwechsle ich da etwas?

LG und CS
Hampo
 
Du musst bedenken, dass Sterne ein kontinuierliches Spektrum haben, also man höchstens das Strahlungsmaximum der Kurve bestimmen kann
Exakt.

Sterne emittieren Schwarzkoerperstrahlung (siehe z.B. Wiki Schwarzer Körper – Wikipedia ) und was aus den (kalibrierten!) RGB Daten bestimmt werden kann, ist die Sterntemperatur.
Aus diesen gibt sich die Spektralklasse, siehe z.B. hier fuer eine schoene Uebersicht:
und ja, die kann man so aus RGB Daten bestimmen.

Was die "pretty picture" Astrogemeinde uebrigens i.d.R. macht, ist der genau umgekehrte Weg: Wir holen uns aus Sternkatalogen die bekannten Spektralklassen der abgebildeten Sterne, berechnen daraus die "Farbe" der Sterne und kallibrieren damit die Farbballance unserer Kameras.

Das geht also vorwaerts wie rueckwaerts.

Man kann auch beides tun, also bekannte Sterne im Bild aus einem Katalog dazu verwenden, um z.B. unbekannte Sterne oder Veraenderliche (z.B. eine neue Nova wenn's geknallt hat) im selben Bild zu bestimmen. Das laeuft gemeinhin unter dem Namen "Aperture Photometry" (mal googeln) und dafuer gibt's z.B. in Pixinsight in Script ---> Image analysis ---> Aperture Photometry ein Script welches man dann auch die drei Farbkanaele anwenden kann, um von Bilddaten auf einen kalibrierten Flux zu kommen.

Gemeinhin nimmt man fuer sowas aber mehr als "nur" drei RGB-Kanaele einer MC-Farbkamera (was dich nicht entmutigen sollte), sondern macht mit einer Mono Kamera mit Filterserien wie z.B. den SLOAN/SDSS Filterserien feiner aufgeloeste Spektralbereiche auf. Die sehen uebrigens so aus:
https://www.baader-planetarium.com/en/filters/photometric-filters/baader-sloansdss-(ugriz')-filter-set-–-photometric.html

ich bin schon seit einiger Zeit dabei aus den RGB-Bilddaten die "Lichtwellenlänge" zu bestimmen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher ob ich da auf dem richtigen Weg bin.

Das hoert sich so an, als wolltest Du spezifische Absorptionsspektren auch diesem Kontinuum messen, also z.B. dieses hier der Sonne: Sonnenspektrum | LEIFIphysik

Genau das geht mit "nur" einer RGB Kamera eben nicht mehr, sondern - da bist Du hier in dieser Gemeinde richtig - nur mit einem Spektroskop. Das liegt daran, dass weite Spektralbereiche von einer RGB Kamera integriert werden und diese Zahnpasta bekommt man danach nicht mehr in die Tube (d.h. diese Einzelinformation ist irreversiebel im "Messprozess" verloren gegangen).
Also Fazit: Sterntemperatur und Spektraltyp und Magnitude geht, spezifische Emissions- oder Absorptionsspektren geht i.A. ohne Spektroskop nicht.
Gruss & CS
 
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Da an dem Thema offenbar Interesse besteht lege Ich in der Kaffeepause noch mal kurz nach, denn irgendwo fiel mir gerade auf, dass Ich eigentlich gar nicht erklaert habe, wie's nun eigentlich konkret geht.
Is' nicht ganz so einfach wie @Papa Brummbär hofft, aber andererseits auch nicht soooo schwierig.

1) Als erstes muss man die Bilder photometrisch kalibrieren (siehe z.B. das oben genannte Pixinsight-Script, oder mit anderer Software dementsprechend), so dass man den Photonenflux fuer jeweils den R, G und den B Kanal hat. Die nennen wir jetzt mal Fr, Fg und Fb.

2) Danach machen wir eine Vereinfachung, naemlich das deine RGB-Filter in der ASI2600MC Kamera ganz grob dem Johnson Farbsystem (or Johnson-Morgan Farbsystem) entspricht, siehe hier: UBV photometric system - Wikipedia
Dazu wird etwas geschummelt, naemlich addieren wir in erster Naehrung das Gruen-Rote Signal der Kamera zum V Kanal ( also Fg+Fr = Fv; das waere der Johnson V Kanal) und behalten den Blau-Kanal einzeln (Fb bleibt Fb). Den Johnson U Kanal haben wir nicht und den brauchen wir gluecklicherweise auch nicht. Wenn @Papa Brummbär einen IR-Sperrfilter hat, dann den draufschrauben, denn dann wird es etwas genauer, weil die ASI2600 fuer diese Schummelei etwas zu IR-empfindlich ist.

3) Jetzt kommt der Rechenschritt. Wo der herkommt, dazu habe Ich nur was knapp und Verstaendliches auf Englisch gefunden (kstars Doc..., hoffe das ist ok?): Star Colors and Temperatures
Jetzt wird folgendes berechnet:

B - V = -2.5 log (Fb/Fv) = -2.5 log (Fb/(Fr + Fg))

Mit dieser Zahl kann man auf dem Diagramm unten auf der Webseite nachschauen, welchem B-V Wert die entsprechende Sterntemperatur entspricht. Wer es noch genauer wissen will (Vorsicht, heiss und fettig!), da findet man den B-V Farbe-zu-Temperatur Zusammenhang dann in epischer Tiefe erklaert: ShieldSquare Captcha

Wie gesagt, das funktioniert fuer fuer diese Kamera nur naehungsweise, weil man entweder fuer die RGB-Filter der ASI2600 diese Kurve speziell berechnen muesste, oder man halt mit einer Mono-Kamera hier die kalibrierten Johnson Filter oder die SLOAN Filter benutzen muesste, fuer die es diese Kurven bereits gibt.
Aber zum Spass haben und "Sterntemperatur raten" ist das erstmal genau genug ...
CS

PS:
Letzte Anmerkung, um den Kreis zu schliessen, denn wie gesagt, Pixinsight (und andere "Pretty-Picure Programme") machen eine "Photometry-Based Color Calibration", siehe hier:

Die lustigen Kurven die da immer aufpoppen mit den gruenen Punkten und der gefitteten Gerade, dass ist genau die (B-V) -> (B-G) und die (r'-V) --> (R-G) Kurve, die das Verhaeltnis der RGB-Farben den Katalogwerten im ohnson-Morgan Farbsystem anpassen.
 
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Hallo Astro-PROs,

vielen Dank für die vielen Infos, ich bin jetzt erst wider dazu gekommen mal rein zu schauen, werde wenn ich Zeit finde mich in dieses Thema vertiefen, dachte es wäre etwas einfacher, aber dem ist wohl nicht so.

Eigentlich wollte per kurzem Programm und den Kamera-Empfindlichkeitskurven die "Hauptwellenlänge" der "Sterne" berechnen und dann schauen ob es da "Gruppenverhalten" oder "Entstehungszusammenhänge" gibt (bitte verzeiht wenn das Vokabular nicht richtig ist aber ich glaube Ihr versteht mich).
Da ein gewisses RGB-Verhältnis immer zu einer Wellenlänge zu zuordnen ist dachte ich ist es recht einfach. Aber erste Tests haben gezeigt, dass da etwas nicht
passt. Und bevor ich da ewig programmiere und versuche dachte ich frage ich erst mal die Profies.

Vielen Dank für die Infos aber jetzt habe ich erst einmal Stoff zu lesen und verdauen. Wenn ich nochmals Fragen habe oder etwas brauchbares habe melde ich mich hier erneute.

Nochmals vielen Dank für die Infos und tolle Unterstützung.

Bis bald LG und CS
Hampo
 
*lol*
Eigentlich wollte per kurzem Programm und den Kamera-Empfindlichkeitskurven die "Hauptwellenlänge" der "Sterne" berechnen und dann schauen ob es da "Gruppenverhalten" oder "Entstehungszusammenhänge" gibt (bitte verzeiht wenn das Vokabular nicht richtig ist aber ich glaube Ihr versteht mich).
Hi Hampo,
Ja diesen Zusammenhang gibt es tatsaechlich. Wenn man die Helligkeit und die Farbe der Sterne in einem sogenannten Hertzsprung–Russell Diagramm auftraegt, dann findet man da eine (fuer das damalige Verstaendnis) erstaunliche Haeufung: Main sequence - Wikipedia

1653818183973.png

(@Moderation, Bild creative commons)

Die "Hauptreihe" (main sequence) ist dabei der Werdegang von Sternen wie unserer Sonne. Diese Messungen haben massgeblich dazu beigetragen zu verstehen, welchen Lebenszyklus Sterne dieser Masse durchlaufen (Weisse Zwerge oder Supergiganten durchlaufen einen anderen) und welche Kernfusionsprozesse ablaufen bevor der Stern ausbrennt und das Radiodrama "der grosse Knall" beginnt. Das war in der Astrophysik/Astronomie in der ersten Haelte des 20Jh noch intensiver Gegenstand der Forschung, kannst dich ja mal einlesen.
Tja, die haben sich damals noch mit Analogmaterial an den Sachen einen Wolf gemessen, was Du z.B. mit einer ASI2600 in tatsaechlich Sekunden abhaken kannst.
Gruss & frohes Lesen ...
 
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Hallo zusammen,

die Frage, ob es möglich wäre, der Messung „irgendwie“ eine (mittlere?) „Wellenlänge“ zuzuordnen, ist sicher mit einem Ja zu beantworten. Die Frage, ob es astrophysikalisch Sinn macht, ist eindeutig mit einem klaren Nein zu beantworten. Ich möchte das im Folgenden etwas ausführlicher darstellen.

Astronomen beobachten schon länger (seit den 1940ern) die Sterne mit verschiedenen Zwei- oder Mehrfarbfiltersystemen, etwa UBV(RI) oder Strömgren. Die verschiedenen Filtersysteme sind seit dieser zeit stets auch Gegenstand umfangreicher Diskussion in der Fachliteratur. Im Prinzip hat jedes Observatorium und jeder Satellit sein eigenes Farbfiltersystem, was die Transformation der Ergebnisse aus verschiedenen Gründen nicht eben vereinfacht. Und auch die Verwendung digitaler RGB Farbkameras ist prinzipiell möglich, wenn die Filtersystem sauber kalibriert werden. Allerdings sind solche Farbmessungen mit einigen Fehlern behaftet, die man nur mit entsprechender Kalibration in den Griff bekommt (siehe z.B. Bauer T., 2013).

Die statistische Mehrfarbenphotometrie mit Hilfe zweier oder mehrerer Farbfilter ermöglicht die Beobachtung von Sternsystemen, offene Sternhaufen oder Kugelhaufen, und die Ableitung von astrophysikalischen Größen, wie Abschätzung von Alter oder Untergrenze der Gesamtmasse des Sternhaufens. Für solche Beobachtungen setzt man voraus, dass die Sterne eines Haufensystems eine räumliche Gruppe bilden, die in etwa zeitgleich entstanden sind. Die Zwei- oder Dreifarbenfotometrie liefert unter dieser Voraussetzung eine Vorstellung von der Entwicklung der einzelnen Sterne und deren Verteilung auf der Hauptreihe oder Nebenästen der Riesen oder Zwerge.

Ein Farben-Helligkeits-Diagramm der statistischen Stellarfotometrie ist übrigens vom oben zitierten Hertzsprung-Russel-Diagramm grundlegend zu unterscheiden! Ein HR-Diagramm kann nur mit Hilfe der Spektroskopie plausibel erstellt und begründet werden. Seine Achsenskalierung stellt grundlegend andere physikalische Parameter dar, als die Farbskalen eines Farben-Helligkeits-Diagramms, welche unmittelbar aus den gemessenen Magnituden der Sternhelligkeiten abgeleitet sind. Die statistische Mehrfarben-Photometrie ist zudem mit den folgend zu benennenden, methodischen Fehlern behaftet.

Die Spektroskopie stellt eindeutig die Spektralklasse eines Sterns dar und liefert somit astrophysikalische Größen, wie Temperatur, chemische Zusammensetzung und Entwicklungsstand des Sterns mit Hilfe der theoretischen Vorstellungen der Sternentstehung und Entwicklung.

Die statistische Mehrfarben-Photometrie erweitert die Möglichkeiten der Spektroskopie, indem sie breite Spektralbereiche zusammenfasst, und über bildgebende Verfahren die Farbintensitäten dieser Wellenlängenbereiche misst. Dabei werden spektrale Intensitäten photometrisch erfasst. Wellenlängen werden integriert, d.h. aufsummiert. Damit wird die Gesamtintensität schwächerer Sterne bei vergleichbarer Belichtungszeit der Auswertung zugänglich. Dies ermöglicht die Beobachtung weit entfernter Sternhaufen in benachbarten Galaxien. Die Spektroskopie bleibt demgegenüber in der Reichweite erheblich begrenzt, da das Licht der verschiedenen Wellenlängen auf dem Detektor auf verschiedene lichtempfindliche Sensoren verteilt wird.

Die Mehrfarben-Photometrie ist jedoch mit erheblichen Fehlerquellen behaftet. Ein wichtiger astro-physikalischer Grund ist, dass die verschiedenen Spektralklassen der Sterne sich nicht nur in der Temperatur, sondern aufgrund des Entwicklungsstadiums und auch in der chemischen Komposition der Sterne unterscheiden. Daher lässt die Messung der „Farbe“ eines einzelnen Sterns keinen eindeutigen Rückschluss auf seine Spektralklasse oder anderer astrophysikalischer Parameter zu. Dies liegt darin begründet, dass die Spektrallinien der verschiedenen Sterne und ihrer typischen Spektralklassen sehr inhomogen verteilt sind und auch breite Banden von chemischen Elementen aufweisen können. Dies führt dazu, dass Überriesen, Riesensterne oder Hauptreihensterne ungeachtet einer ähnlichen Oberflächentemperatur sehr unterschiedliche Farben aufweisen. Diese Unterschiede zeigen sich im klassischen Farben-Helligkeitsdiagramme als Verzweigungen (die denen des HR-Diagramms ähneln). Nicht nur zwischen Überriesen und Hauptreihensternen bestehen Unterschiede. Insbesondere bei den kühlen Sternen der Spektralklassen G, K oder M bestehen Probleme, die sich in Sprüngen der Farben zeigen. Unsere Sonne ist solch ein Stern der Spektralklasse G2V, ein Zwerg dessen Spektrum und Farbe nicht mit den Riesen vergleichbar ist.

Die "Sprünge" der Farben zwischen Überriesen, Riesen oder Zwergsternen habe ich vor einiger Zeit unter Zuhilfenahme von Standard-Spektren der ESO dargestellt. Die unten stehende Farbtabelle gibt in etwa die Farbigkeit der Sterne in Abhängigkeit von der Spektralklasse wieder, wobei neben der Spektrallklasse die relativen R, G und B Werte der zusammengesetzten Farbe abzulesen sind. Wie man im angehängten Bild erkennt bestehen erhebliche Unterschiede der Farben innerhalb ähnlicher Spektralklassen, wenn man die Farbe horizontal von den Überriesen hin zu den Hauptreihensternen und Zwergen liest. Insbesondere bei den kühlen Sternen erkennt man durchaus eklatante Sprünge der Farbe, die zu einer mehrdeutigen Relation zwischen Farbe und Spektralklasse oder Temperatur der Sterne führen.

Der Astronom spricht zudem von Metallizität, wenn er die unterschiedliche chemische Komposition von Sternen in „entwickelten“ gegenüber „jungen“ Regionen der Galaxien beschreibt. Junge Regionen lassen Sterne aus dem (fast) reinen Wasserstoff entstehen, während in entwickelten Regionen bereits ein bestimmter „Bias“ schwerer Elemente aus einer vorausgegangenen Entwicklung früherer Sterne als Ausgangsmaterial vorhanden ist. Diese höhere Häufigkeit schwerer Elemente lässt ebenfalls Verschiebungen in den spektralen Kompositionen und somit in den gemessenen Mehrfarben-Diagrammen erkennen. Unterschiede in der Metallizität kommen beispielsweise zum Tragen, wenn man die Entwicklung von Sternen oder jungen Sternhaufen der Magellanschen Wolken mit denen unserer Galaxis vergleicht (aber nicht nur).

Die Korrekturen der statistischen (Mehrfarben-) Stellarphotometrie sind mathematisch aufwendig und erfordern grundlegendes Wissen über die Zusammenhänge zwischen der theoretischen Modellierung der Sternentwicklung, den zu erwartenden spektroskopischen Daten und der gemessenen „Farbe“ der Sterne.

Abschließend ist noch zu bemerken, dass die Beobachtung mittels Farbfiltern und der Zuordnung einer "Wellenlänge" schon deswegen erschwert ist, weil die Filterkurven komplexe Funktionen darstellen, über die die Intensität hier gewichtet integriert (aufsummiert) wird. Die gemessenen Intensitäten sind zudem gewichtet durch die spektrale Empfindlichkeit des Detektors. Für die Beobachtung muss zudem noch die atmosphärische Extinktion (Rötung) durch die Schichtung der Atmosphäre berücksichtigt werden. Der Begriff der Wellenlänge ist hier physikalisch nicht sinnvoll anzuwenden, da Wellenlängenbereiche mit undefiniertem Intensitätsverlauf betrachtet werden. Bestenfalls ist der Begriff der "Farbe" physikalisch sinnvoll. Für die weiteren Ausführungen zu diesem Thema empfehle ich das Buch "Measuring Color", welches einen nicht-astronomischen Einblick in die Farbwahrnehmung des Auges und der Wiedergabe gemessener Farben mit Farbkameras wiedergibt.

Aus den oben genannten Gründen macht eine Reduktion der verfügbaren spektralen Information auf eine einzige „Wellenlänge“, wie dies der Eingangspost vorschlägt, physikalisch keinen Sinn. Aus einer einzelnen Wellenlänge ließe sich keine astrophysikalische Größe über den Stern ableiten oder begründen. Es bedarf mindestens zweier Farbfilter ("Wellenlängen"), um aus der photometrisch gemessenen Integralphotometrischen Größe der Helligkeit in dieser Farbe wenigstens eine sinnvolle Information über die Sterne, ihre Entwicklungssstadien oder andere astro-physikalische Parameter abzuleiten.

Im Idealfall wird man sich der Spektroskopie bedienen. Dort wo man nicht mehr ausreichend Licht zur Verfügung hat, oder/und viele einzelne lichtschwache Sterne beobachten will, wird man sich der Mehrfarben-Photometrie bedienen.

Die ähnliche Struktur eines Farben-Helligkeitsdiagramms in ein HR-Diagramm zu transformieren bedarf weiterer Messungen, die nur die Spektroskopie befriedigend klären kann. Ersatzweise nimmt man Standardsterne zur Kalibration her, was mit Unsicherheiten bezüglicher der Variabilität behaftet ist.

In diesem Sinne bedarf es mindestens zweier Farben, nicht einer einzelnen Wellenlänge, um brauchbare Indikatoren zu liefern plausible astro-physikalische Größen abzuleiten.

Viele Grüße

Thilo Bauer

Literatur:
  • Hunt, R. W. G., & Pointer, M. R. (2011). Measuring colour. John Wiley & Sons.
  • Bauer, T., 2013: Über die Abhängigkeit des photometrischen Fehlers und die Notwendigkeit der Farb-Kalibration in der Integralphotometrie, BAV Rundbrief, 62, No. 1, pp. 49, ISSN 0405-5497

colors_of_stars.jpg
 
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Hallo Thilo,

Chapeau, vielen Dank für die äußerst ausführlichen und fachlichen Informationen. Da fehlen mir noch einige Kenntnisse um das Ganze zu erfassen. Ich werde bei Zeiten mal anfangen nachzulesen.

Vielen Dank bis bald
LG und CS
Hampo
 
Die astronomischen Details sind im Prinzip nicht schwierig zu begreifen. Es ist im Prinzip auch nicht schwer, solche Farbenhelligkeitsdiagramme zu erstellen. Bei Kugelhaufen ist das ein wenig erschwert dadurch, dass die Sterne sehr dicht beieinander stehen. Einen Versuch den Kugelhaufen M13 mit einem Amateurteleskop mit speziellen Algorithmen in seine Einzelsterne aufzulösen und daraus ein Farben-Helligkeitsdiagramm zu erstellen, habe ich vor einer Weile hier gepostet: https://www.juelich-bonn.com/jForum/read.php?8,418521

Bei offenen Haufen ist eine solche photometrische Messung natürlich einfacher.

Im Grunde läuft es auf eine ähnliche Idee wie mit der "Wellenlänge" heraus: Man misst die Sternhelligkeiten in zwei Farbkanälen, berechnet aus den Pixelintensitäten die logarithmische Werte der scheinbaren Helligkeit (Magnituden) der jeweiligen Farbkanäle. So dann trägt man die gemessenen Magnituden einer Farbe (z.B. V) auf der y-Achse gegenüber der Differenz der Magnituden zweier Farbkanäle (z.B. B-V) auf der x-Achse auf, et voilà. Mit einer RGB Kamera wird man anstelle von V/B-V analog die Kombination G und B-G nutzen. Grund: Grünkanal liegt nicht soweit vom Johnson V entfernt. Im roten Bereichkann man das auch mit mit R bzw. G-R messen. Mit CCDs hat man gerne die Farbkanäle des Johnson Cousins UBVRI in V/R oder V/I (Infrarot) benutzt, da CCDs im Blauen nicht so empfindlich sind. Das sich ergebende Farbenhelligkeitsdiagramm liefert schon sehr gute Anhaltspunkte, wo sich welche Sterntypen befinden etwa die RR Lyrae Sterne auf den "Riesenästen".

Das ist die relativ einfache Methode ein Farbenhelligkeitsdiagramm zu erstellen. Die Messungen der Pixel-Intensitäten kann man auch manuell mit einem Programm durchführen, das eine einfache Blendenfotometrie erlaubt. Der Rest ist ein wenig Mathe mit einem Excelsheet, würde ich meinen. Das bisschen Astrophysik ist bis zu diesem Punkt kein Hexenwerk.

Wie das Diagramm zeigt, kommt man mit einem 8-Zöller und einer DSLR bei verhältnismäßig kurzer Gesamtbelichtungszeit bereits in den Bereich der 20. Größenklasse. Solche Ergebnisse waren früher Großteleskopen vorbehalten. Am Observatorium Hoher List hatte ich in den 1990ern Versuche unternommen CCD Photometrie mit dem UBV System an offenen Haufen vorzunehmen. Mit den damals verfügbaren CCD Kameras kam man gerade mal bis zur 17. Größenklasse für offene Sternhaufen. So kommt man mit der "einfachen" Stellarphotometrie gerade mit Amateurteleskopen sehr weit. Es höngt nur von der Belichtungszeit ab. Die Anwendungen der Photometrie mit mehreren Farben bleiben jedoch eher auf Sternhaufen begrenzt.

Seinerzeit hatten ich mit meinem Chef, Prof. E. Geyer, diskutiert, ob man mit Amateurteleskopen wohl Spektroskopie betreiben könne. Das damals von uns entwickelte REVRAVEL Radialgeschwindikeits-Spektrometer hatte zum Ziel Radialgeschwindigkeiten mit der Spektroskopie zu messen. Die Grenzgröße dieses Spektrographen mit dem 1m-Cassegrain und einer Astromed CCD Kamera lag bei Sternen der 10. Magnitude. Man hätte Sternhaufen sicherlich noch bis zu dieser Grenzgröße gut messen können. Wir kamen zu dem Schluß, dass Spektroskopie mit kleineren Telekopen wohl nur für die hellsten Sterne möglich sei. Mein Freund, Ernst Pollmann, war damals beharrlicher und hat die CCD-Spektroskopie mit Amateurteleskopen seit den 1990ern beharrlich in die Amateurastronomie getragen. Wir kommen heute auch mit der Spektroskopie weit tiefer mit kleinen Teleskopen.

Die Entwicklung moderner Bildsensoren ist nicht stehen geblieben und die Möglichkeiten, die ein Amateur heute mit einem ungleich kleineren Teleskop hat, sind überraschend. Wir haben uns damals gewaltig geirrt in Hinblick auf die anhaltende Entwicklung moderner CMOS-Sensoren und den Einfluss des Signal-Rauschabstands moderner Detektorentwicklungen weit unterschätzt. Zudem muss man konstatieren, dass der CCD inzwischen als überholt gelten darf.

Will man tiefer in die Astrophysik einsteigen, wird man sein Filtersystem durchmessen (man scannt im Prinzip oben gepostete Kurven der Farbkanäle) und wirft die Kurven in verfügbare Tools zur theoretischen Modellierung von Sternspektren der Sternhaufen und den resultierenden Farbenhelligkeits-Diagrammen. Solche Tools in der Astronomie können mittels Modellrechnungen für Entwicklungsstadien von Sternhaufen theoretische Verläufe eines solchen FHD modellieren, die man dann in die eigenen Messungen solange fittet, bis sich Alter, Masse und Metallizität des Haufens in die eigenen Messungen gut passen. Da die Farbenhelligkeitsdiagramme einen typischen Knick besitzen, ist ein solcher Fit sogar dann möglich, wenn man bestimmte Kalibrationen, etwa die Korrektur der Extiktion nicht so gut möglich sind. Diese kann man mit in die Modellierung kippen und optimieren. Seinerzeit haben wir das mit hochaufgelösten Bildern von R64 versucht, einem System, das man für einen supermassiven Stern hielt. Das System mit einem benachbarten Wolf-Rayet Stern entpuppte sich als junger, kompakter Sternhaufen, den wir 1994 mit dem Danish 1.54 m Teleskop in seine Einzelsterne aufgelöst haben. Wir haben dann ein Alter und eine Untergrenze der GEsamtmasse dieses Sternhaufens als Letter in A&A publiziert. Die Bildverarbeitung und Messungen der Stenhelligkeiten haben wir damals mit einem ATARI TT durchgeführt. Die Modellrechnungen wurden von Eva Grebel theoretisch modelliert. So konnten wir erste Abschätzungen für diesen Haufen liefern und den Mythos des supermassiven Sterns in diesem Fall ad acta legen. Nachzulesen hier:

Bauer, T. and Weghorn, H. and Grebel, E. K. and Bomans D. J.: The young star cluster R64 in the Large Magellanic Cloud resolved with ground-based CCD observations, Astronomy and Astrophysics, v.305, p.135, 1996

Jetzt wünsche ich noch viel Spaß beim "Nachempfinden" der Astrophysik, die eigentlich nicht so schwer ist!
 
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