Die Frage drängt sich auf, ob die Fortsetzung einer Enzyklopädie wie Annals of the Deep Sky in Druckform im Zeitalter von Wikipedia und Internet überhaupt noch sinnvoll und zeitgemäß ist.
Peter,
gewißlich drängt sich diese Frage auf, allerdings wären die von Dir genannten Bedinungen "sinnvoll und zeitgemäß" zu diskutieren. Teilweise bin ich immer noch mit Fragen unterwegs, die zu einem erstaunlich großen Teil im ausgehenden 19. Jahrhundert beantwortet worden sind, etwa bei Römischen Kaiserchronologien. Mitunter handelt es sich um abgelegene Quellen. Die bekomme ich, teilweise zu horrenden Preisen, im Antiquariat. Indernetz ist hier fast komplette Fehlanzeige. Man sollte bitte nicht glauben, daß alles, was jemals publiziert worden ist, auch digital vorliegt. Selbst wenn es inzwischen beispielsweise Georg Cantor, Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts, oder Leonhard Euler und Christian Goldbach, Briefwechsel 1729-1767 digital irgendwo geben sollte: Das sind Texte, die auf Papier und für Papier geschrieben worden sind. Einen Rechner möchte ich weder auf dem Lokus noch unter dem Kopfkissen. Hier spielen für mich auch Fragen der Ästhetik und des Stils mit. Weiterhin ist anzumerken, daß Papier, wenn es nicht gerade kurz vor oder nach 1900 hergestellt worden ist, 1000 Jahre oder länger haltbar ist. Wann das Indernetz kaputtgegangen sein wird, weiß ich nicht (hoffe aber, daß das möglichst bald geschieht). Man möge mir also bitte beistimmen, daß alles, was, sagen wir, älter ist als das Indernetz selbst, zum großen Teil in demselben nicht verfügbar ist.
Bleibt, und das dürfte der eigentliche Punkt Deiner Argumentation sein, sogenanntes zeitgenössisches Wissen. Vielleicht ist dessen Eintagsfliegenqualität wirklich in einem Eintagsfliegenmedium wie dem Indernetz gut oder besser aufgehoben als gedruckt. Ob das für die Annalen zutrifft, weiß ich nicht, bezeifle es aber eher. Bunham ist, was die technischen Daten betrifft, sicherlich überholt. Aber der Genuß, der ästhetische Genuß, den die Lektüre liefert, ändert daran nichts. Digital würde ich diesem Werk keine zwei Blicke würdigen.
Meiner Meinung nach kommen wir zur Grundfrage, "Was bleibt?", um den Titel Eduard Engels gleichnamigen Buches zu benutzen. Und es bleibt erstaunlich wenig. Neben Wissenschaft besteht meine Lektüre ab und zu aus dem, was in früheren Zeiten einmal unter Belletristik lief. Hier herrscht bei mir ein ökonomisches Prinzip, es werden keine lebenden Autoren (von minimalen Ausnahmen abgesehen). Die Geschichte hat gerichtet. Man muß "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" nicht dreimal lesen (zweimal reicht). Aber digital? Das geht nicht.
Nochmal zu Deinem Argument, zeitgemäßer Darstellungsform: Vielleicht hilft es uns weiter, wenn wir ganz einfach, wie oben angedeutet, unter Eintagsfliegenwissen, also Aktualitäten mit einer Halbwertzeit von ein bis zehn (von mir aus auch 50 oder 100) Jahren und tendenziell ewigen (200 Jahre reichen hierfür schon) unterscheiden? Das Problem bei der Eintagesfliegenproduktion ist aber das ungeheuere Rauschen.
Jetzt habe ich meinen Text nochmals durchgelesen, interessanterweise merke ich, daß das mir wichtigste Argument lautet: Lokus und Kopfkissen. Ja, meine geistige Herkunft liegt in Neanderthal.
Schönen Gruß
Hans