Jetzt ausführlich:
Der technologische und logistische Aufwand wird riesig sein. Finanzierbar wird es auch nicht ohne weiteres sein.
Der Antrieb funktioniert vielleicht auf Basis von Kernfusion - wie auch immer, dazu gibt es verschiedene technische Ansätze, die im Internet nachzulesen sind.
Nehmen wir einmal an, wir hätten die finanziellen Probleme gelöst, ein riesiges Raumschiff gebaut, etwa 30 km lang, wie u.a. in der Wikipedia unter O’Neill-Insel vorgeschlagen wird.
Wer soll das bauen, wie soll so ein riesiges Gerät gestartet werden? Immerhin muss eine Geschwindigkeit von einigen km/s erreicht werden. Die einzige Möglichkeit besteht darin, das Gerät im Orbit oder auf dem Mond zusammenzubauen und von dort aus zu starten.
Das Ziel soll etwa irgendein Planet in einem 1000 Lj entfernten Planetensystem sein. Mit verträglicher üblicher Erdbeschleunigung (also 1g) braucht man 1000 Jahre, ab der halben Strecke wird dann mit 1g gebremst. Wegen relativistischer Effekte werden im Raumschiff nur knapp 7 Jahre vergangen sein. (Berechnung mit „Winfunktion16“, da gibt es ein Modul „relativistischer Raumflug“ wo man als Ausgangswerte verschiedene Beschleunigungen und Entfernungen einsetzen kann und dann Reisezeiten im Raumschiff, vergangene Zeit auf der Erde, Reisegeschwindigkeit usw. berechnet werden).
Dann wird man nach 500 Jahren sehr nahe an die Lichtgeschwindigkeit kommen – was der Gesundheit der Insassen abträglich sein dürfte.
Sie würden nichts sehen, alles wäre auf einen winzigen Punkt zusammengekrümmt und aus den riesigen Fenstern der Raumstation (vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Spacecolony3edit.jpeg) würde man keine Planeten und Sterne sehen, sondern wegen des Dopplereffektes, der die Frequenz der empfangenen Strahlung drastisch erhöhen würde allenfalls riesige Mengen an Gammastrahlung bekommen - also im Ganzen eine sehr "ungesunde" Variante.
Selbst wenn man nur mit 0,01g beschleunigt, werden 98,7% der Lichtgeschwindigkeit erreicht, wäre aber 242 Jahre unterwegs, während auf der Erde 589 Jahre vergangen wären.
(Erscheint mir etwas merkwürdig, aber ich vertraue mal dem Programm Winfunktion).
Folglich muss man leider doch langsamer, also mit „herkömmlicher“ Geschwindigkeit reisen.
Angenommen sei eine Reisezeit von 1000 Jahren zu einem ausgewählten Planetensystem (auf die Entfernung soll es jetzt nicht ankommen, es soll soweit entfernt sein, dass man 1000 Jahre Reisezeit schätzt) - bei gemäßigter Beschleunigung, das entspricht etwa 40 Generationen zu je 25 Jahren.
Im Raumschiff sollen angenommen ca. 100 Personen einsteigen, welche die 1. Generation bilden. Sollten sie sich irgendwann vermehren – und dies ist ja der Sinn eines Generationenraumschiffs – werden alle nachfolgenden Generationen die gleichen „Urahnen“ haben: Eltern, Kinder, Enkel werden in einer Generation (horizontal) und generationsübergreifend (vertikal) immer verwandt sein. Der genetische Code der nachkommenden Generationen wird negativ beeinflusst, schwere geistige Schäden sind (nach Meinung von Genetikern) programmiert – das ist aber recht umstritten. Zumindest ist solches Verhalten aber auch nach unseren Gesetzen strafbar. In diesem Raumschiff wird die Vermehrung aber nur unter diesen Umständen vor sich gehen können.
Im folgenden ein Szenario, dass sich auf dieser Raumstation eventuell im Laufe der Zeit ereignen könnte.
Als nächstes nehme ich die Perspektive eines Missionsmitgliedes der 1. Generation ein. Es wird wissen, dass es den Rest seines Lebens in einem vergleichsweise kleinen Raumschiff zubringen muss, auch wenn es 30 km groß ist.
Er (oder sie) wird sich von allen Bekannten, Freunden verabschieden müssen. Ihm ist klar, dass er die Erde nie wieder sieht.
Weiterhin ist unklar, ob die Mission das allererste Stadium auf der Reise zu den Sternen übersteht oder ob schon unmittelbar nach dem Start irgendeine Katastrofe eintritt, die durch ein winziges Detail ausgelöst wird, das übersehen wurde. Das Risiko fliegt ab der 1. Sekunde mit.
Diese 1. Generation hat nun die Aufgabe, sich zu vermehren und alles Wissen von der Erde an die nachfolgende Generation zu übertragen.
Spätestens die 3. Generation (von 40) wird die Erde nur noch als eine Art Mythologie von den vorangegangenen Generationen kennen lernen ohne jemals einen persönlichen Bezug entwickeln zu können und die nachfolgenden werden das weitererzählen was sie selbst nur durch Erzählungen kennen.
Das Wissen um die Erde und auch das Allgemeinwissen an sich wird nach und nach verloren gehen.
Nicht nur das Wissen um die Fakten der Erde, sondern auch die Wissenschaft muss von Generation zu Generation weitergegeben werden. Sicher gibt es Datenbanken mit theoretischen Abhandlungen und Bildern, aber allein das stellt die Weitergabe des Wissens nicht sicher.
Wer einmal vor einer Schulklasse auf der Erde gestanden hat, weiß, dass der Anteil der Lernwilligen meist deutlich < 100% ist.
Das Wissen nachfolgender Generationen kann nun aber kaum höher sein als das, was die Eltern ihnen gelehrt haben. Innerhalb der angenommenen 40 Generationen wird es zwangsläufig mal vorkommen, dass Wissenschaft und Bildung nicht so von den Kindern angenommen werden, wie das zwangsläufig unter den geg. Umständen erforderlich wäre.
Spätestens dann ist aber die Weitervermittlung des notwendigen Wissens erheblich beeinträchtigt.
Man wird vielleicht nicht mehr mit dem ökologischen Kreislauf im Raumschiff klarkommen, weil das Wissen fehlt. Gleiches gilt für die Steuerung oder das Begegnen mit auftretenden Gefahren.
Irgendwann werden die aktuellen Bewohner der Generationen x (10<x<40) vielleicht – glücklicherweise - zur Überzeugung gelangen, ihr Raumschiff wäre ihre ursprünglicher "Planet".
Man wird die 30 km dann auch nicht mehr als beengt wahrnehmen, weil man nichts anderes als Vergleichsmaßstab hat.
Man wird nicht mehr wissen, dass man von einem Planeten „Erde“ ausgeschickt wurde um irgendwann ein entferntes Planetensystem zu besiedeln. Sollte dort irgendwo in dem Raumschiff wider Erwarten ein „weiser Mann“ leben, der aus uralten Aufzeichnungen ableitet, dass man von einem Planeten „Erde“ abstammt und auf der Reise zum System „XY-Alpha123“ (fiktiver angenommer Name des Zieles) ist, wird man ihn freundlich belächeln wegen seines verschrobenen Weltbildes: „Er meint, es gäbe „Planeten“ außerhalb unserer Welt…und wir wären auf einer großen Reise. Nun ja, jeder hat das Recht auf sein eigenes Weltbild, auch wenn es merkwürdig ist.“
Sollte der glückliche Umstand, dass die Reisenden annehmen, ihr abgeschlossenes Raumschiff sei das „Universum an sich“ nicht eintreten, müssten sie erkennen, auf einer sehr kleinen Insel durch das Universum zu rasen, ohne selbst ein Ziel zu haben (denn dieses liegt ggf. noch Jahrhunderte in der Zukunft), sterben zu müssen für einen relativ fernen Zweck – ohne die Erde kennen gelernt zu haben, ohne den fiktiven Planeten zu dem man angeblich fliegt, selbst betreten zu können…keine sehr schöne Perspektive für den, den es eben betrifft.
Und eines Tages wird man vielleicht, am Ziel ankommen
- wenn das ökologische System tatsächlich so lange funktioniert hat,
- keine unvorhergesehenen Katastrofen eingetreten sind (Asteroideneinschlag, Raumschiff wird von einem schwarzen Loch geschluckt, Katastrofen durch Umstände im Inneren des Raumschiffs, Bewohner fallen einer Epidemie zum Opfer…).
Selbst dann ist der Erfolg keineswegs sicher:
Falls die Bewohner zur Überzeugung gelangt sind, ihr Raumschiff wäre ihre Heimat, werden sie vorbeifliegen. „Erde“ , „System XY“ und die „Astronomie an sich“ gelten allenfalls als eine Art Religion und Mythos. Sie werden nicht wissen, warum sie in diesem Raumschiff sind und wohin die Reise gehen sollte.
Keineswegs sicher ist auch, ob denn der Zielplanet wirklich die Erwartungen erfüllt, die man ursprünglich auf der Erde damit verbunden hat. Wenn man heute einen erdähnlichen Exoplaneten entdeckt – so weiß man doch im Grunde von diesem so gut wie nichts.
„Erdähnlich“ heißt doch derzeit jeder Exoplanet, der eventuell(!) das 0,5-5 fache der Erdmasse haben könnte und wahrscheinlich nicht allzu nahe an seinem Stern ist, so dass da vielleicht annehmbare Temperaturen und vielleicht auch Wasser existieren könnte.
Das sind sehr vage Erkenntnisse und einen Flug würde ich auf Grund so unsicherer Daten weder organisieren/finanzieren wollen oder gar daran teilnehmen wollen.
Und zum Schluss: Wenn die höchst unwahrscheinliche Variante eintritt, dass auf diesem Planeten schon höheres Leben existiert – wollen wir den Planeten dann mit Gewalt erobern, eine Kraftprobe mit einer Biologie, möglicherweise Technik, versuchen, die wir nicht ansatzweise verstehen?
Fazit: Solchen Missionen sehe ich recht skeptisch, auch pessimistisch.
Vielleicht gibt es aber auch ganz andere Möglichkeiten, manche Physiker glauben z.B. an so genannte “Wurmlöcher“, die man benutzen kann, riesige Entfernungen in winzigen Zeiteinheiten durch Abkürzungen in zusätzlichen Dimensionen überbrücken zu können.
Der bekannte Schriftsteller Johannes von Buttlar (ob „Wissenschaftler“ als Bezeichnung gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen) meint, man könne eventuell im Teilchenbeschleuniger von Genf Wurmlöcher erzeugen.
http://www.bild.de/BILD/news/vermis...tseller-autor-johannes-von-buttlar.html?o=RSS
Dann freilich brauchen wir kein solches Raumschiff.
Der ganze Beitrag von mir ist im SF-Bereich angesiedelt. Warum also keine Wurmlöcher benutzen?