Euclid

P_E_T_E_R

Aktives Mitglied
Das derzeit im Bau befindliche Raumteleskop Euclid der ESA soll in drei Jahren zum Lagrange-Punkt L2 gebracht werden und Galaxien in kosmologischer Entfernung untersuchen. Dabei soll für ein großes statistisches Ensemble die spektroskopische Rotverschiebung und gravitative Mikrolinseneffekte gemessen werden. Daraus hofft man dann Rückschlüsse auf die dunklen Komponenten unseres kosmologischen Modells gewinnen zu können.

Euclid - Mapping the Geometry of the Dark Universe

Das Teleskop ist ein Dreispiegel-Anastigmat vom Korsch-Typ mit einer Öffnung von 1,2 m und einer Brennweite von 24,5 m. Es hat ein Feld von 0,7°x 0,8°, welches mit einem dichroischem Spiegel in einen visuellen und einen infraroten Kanal aufgespalten wird. Über eine geplante Dauer von mehreren Jahren hofft man einen wesentlichen Teil des außergalaktischen Himmels abdecken zu können, einen kleineren Teil an den galaktischen Polen sogar bis zu einer Tiefe von m_J ~ 26.

Credit: ESA

111589


111590


111591


111592
 
NASA delivers hardware for ESA dark energy mission

111593


The cryogenic (cold) portion of the Euclid space telescope's Near Infrared Spectrometer and Photometer (NISP) instrument. NASA led the procurement and delivery of the detectors for the NISP instrument. The gold-coated hardware is the 16 sensor-chip electronics integrated with the infrared sensors.

Credit: Euclid Consortium/CPPM/LAM
 
Übrigens, von besonderem Interesse ist das exotische Spiegelsubstrat aus Siliziumkarbid (SiC)

The low thermal expansion coefficient, high hardness, rigidity and thermal conductivity make silicon carbide a desirable mirror material for astronomical telescopes. The growth technology (chemical vapor deposition) has been scaled up to produce disks of polycrystalline silicon carbide up to 3.5 m in diameter, and several telescopes like the Herschel Space Telescope are already equipped with SiC optics, as well the Gaia space observatory spacecraft subsystems are mounted on a rigid silicon carbide frame, which provides a stable structure that will not expand or contract due to heat.

Das SiC-Substrat für den Euclid Primärspiegel wurde von Airbus Defence & Space (ehem. EADS Astrium) hergestellt und von Safran Reosc auf optische Präzision geschliffen und verspiegelt:

The SiC primary mirror of the EUCLID telescope

Euclid progresses with primary mirror delivery

111606


Credit: ESA/EADS Astrium/Airbus Defence & Space/Safran Reosc
 
Hier ist die andere, "interessantere" Seite der NISP Fokalebene (16 HAWAII-2RGs mit 2048x2048 Pixel mit je 0.3"/Pixel) :)

NISP_FPA_photo.png

Credit: Mathieu Niclas, CNRS

Hier sieht man das sogenannte Struktur- und thermische Modell der NISP Detektoreinheit auf dem "shaker", um zu testen ob das Design den Start ueberlebt:

https://www.youtube.com/watch?v=axPuNKFIzq4

Und hier noch zwei Bilder der Detektoreinheit von VIS, der optischen Kamera (36 4096x4096 CCDs mit 0.1" / Pixel).
VIS hat keine optischen Filter oder Korrekturlinsen im Strahlengang, unter anderem um optische Reflektionen und Wellenfrontaberrationen zu minimieren. Der Wellenlaengenbereich wird durch den dichroischen Strahlteiler (cut-off bei 940 nm) und die blaue Beschichtung der Detektoren definiert (kurzwelliger cut-off bei ~500 nm)

111689


Credit: VIS team

LG,

mischa
 
Der Youtube-Channel des LAM hat einige weitere gute Videos:
Integration der nah-infraroten NISP-Kameraoptik (time-lapse): https://www.youtube.com/watch?v=HQL8Q3ANZI8
Andere Perspektive (time-lapse): https://www.youtube.com/watch?v=q3PPex55Ch4
Unterhalb von 600nm macht die Beschichtung der Optik zu, das kann man schoen an der blauen Reflektion im zweiten Video erkennen. dadurch wird eine weitere Blockung des sichtbaren Wellenlaengenbereichs erreicht (zusaetzlich zum Strahlteiler und den Filtern).

Und anschliessend kommt das ganze Instrument auf den "shaker", in diesem Fall das echte Flugmodell (also das was tatsaechlich gestartet wird und in den anderen beiden Videos zusammengebaut wurde). Den Kontrast zwischen mechanischer Feinstarbeit in den ersten beiden Videos und dem Vibrationstest finde ich beeindruckend:

https://www.youtube.com/watch?v=BIiEaWdMrDg

mischa
 
Euclid science instruments delivered to Airbus Space & Defense

Die beiden optischen und nah-infraroten Instrumente fuer Euclid sind nun offiziell an Airbus uebergeben worden. Dort werden sie in das sogenannte "payload module" oder PLM integriert, welches unter anderem das Teleskop beinhaltet. 2021 wird das PLM dann in Liege / Belgien ausfuehrlich unter Weltraumbedingungen getestet. Im Anschluss daran geht es zu Thales Alenia Space in Turin, wo das PLM mit dem sogennanten "service module" verheiratet wird. Letzteres stellt unter anderem Treibstoff, Lageregelung etc etc zur Verfuegung. damit waere der Satellit dann komplett. Momentaner Starttermin incl Covid-19 Verspaetung ist September 2022.
 
Die Nahinfrarot-Kamera und Spektropgraph (NISP) wurden vor kurzem bei Airbus ins PLM integriert. Auf dem zweiten Bild erkennt man die hellblau schimmmernde Kollimatoroptik, die als Eintrittsfenster fungiert. Das Instrument versteckt sich hinter der grossen dunkelgrauen Folie. Unterhalb des blauen Eintrittsfensters erkennt man ein gelbes Oval, das ist ein dichroischer Spiegel, der infrarotes Licht (>900 nm) zu NISP hin reflektiert, und optisches Licht (500-900nm) an die visuelle Kamera (VIS) weiterschickt. Letztere muesste links zu sehen sein, bin mir aber nicht sicher ob da schon alles montiert wurde.

VIS und NISP haben keinen internen Fokusmechanismus, das wird alles ueber den Sekundaerspiegel eingestellt. Die beiden Instrumente muessen also sehr genau (und bombenfest) montiert werden, so dass sie den Start ohne Veraenderung ueberleben.

Neuester Starttermin: Ende September 2022 (incl einer Covid-19 Verschiebung von ca 3 Monaten)

mischa
NISP_PLM_1.jpeg
NISP_PLM_2.jpeg
 
Hier noch etwas mehr eye-candy :

mirror_cell_from_bottom.png

M1 Spiegelzelle von unten

telescope_korsch_alignment_M3.png

Das Teleskop in einem speziell fuer Euclid angefertigten Montageroboter. Der grosse Metallring ist Teil des Roboters und voll beweglich. Im Bild hier wird gerade das Teleskop justiert, insbesondere der hexagonale Tertiaerspiegel, sichtbar etwa 1m links oberhalb der am Boden knieenden Person.

telescope_in_robot_2.png

Teleskop im Montageroboter. Oben erkennt man den Sekundaerspiegel. Die grosse graue Platte unten ist die "baseplate", ein Monolith aus Siliziumcarbid (SiC). Der Spiegel und die Teleskopstruktur selbst (teilweise sichtbar) sind ebenfalls aus SiC.

telescope_in_robot.png

Hier steht das ganze auf dem Kopf. Auf der rechten Seite zwischen Teleskop und dem weissen haltering sieht man gut, dass das ganze Teleskop nur durch wenige Stangen im Roboter fixiert ist. Die Bohrung im Hauptspiegel ist dezentral (Korsch-Design).

telescope_in_robot_3.png

In etwas fortgeschrittenerem Zustand: Hier ist das Teleskop bereits im "telescope baffle" verschwunden, aka "Streulichtblende" aka "Tubus"

scattered_light_setup.png

Das Setup fuer den Streulicht-Test. Euclid ist per Design extrem streulichtarm und wird hervorragende Aufnahmen von Gezeitenschweifen in Galaxien und Galaxienhaufen ermoeglichen, weit jenseits dessen was boden-gebunden moeglich ist. Allerdings ist das nur eines der vielen wissenschaftlichen "Nebenprodukte" und nicht Hauptziel der Mission.

svm_loaded_in_chamber.png

Hier wird das sogenannte "service module" in eine grosse Vakuumkammer geschoben. Das passiert ganz altmodisch per Hand, hierzu haelt sich Thales Alenia Space die beiden Arbeitsklaven unten links ;-)
Das "payload module", die wissenschaftliche Nutzlast (Teleskop mit Instrumenten), welches in den oberen Bildern zu sehen ist, ist hier noch nicht integriert. Das wird spaeter in 2021 in dem grossen weissen Zylinder verschwinden.

mischa
 
Nun wurde auch begonnen, die optische Kamera (VIS) zu montieren. Das Detektor-Array kann man unten schoen sehen, es wird noch durch eine transparente Abdeckung geschuetzt. Verschiedene Blenden, der shutter usw fehlen noch. Die Infrarotkamera ist bereits komplett montiert und findet sich unter der Abdeckung Mitte links. Image credit: Airbus / VIS team.
vis_small.jpg


Und hier ein Ausschnitt in voller Aufloesung:
vis_3.jpg
 
Euclid sollte eigentlich mit einer Soyuz ST-B starten, momentanes Startdatum März 2023. Nachdem Roskosmos aber sein Personal auf unbestimmte Zeit aus Kourou abgezogen hat, ist die ESA nun auf das backup Startsystem Ariane 6.2 umgestiegen. Bevor Euclid mit der A6.2 starten kann, muss diese aber erstmal zwei erfolgreiche Starts hingelegt haben. Der erste Start mit der neuen A6.2 ist für 2022 vorgesehen, ein genaueres Datum gibt es aber noch nicht.

Um mit der A6.2 starten zu können, muss für Euclid aufgrund der höheren Vibrationslast - im Vergleich zu Soyuz - ein speziell entwickelter vibrationsdämpfender Adapter verwendet werden, der gegenwaertig zertifiziert wird.

mischa
 
Nachdem Soyuz im Frühjahr weggefallen ist, und unser backup Launcher Ariane 6.2 noch weit von ihrem Jungernflug entfernt ist (mind. Ende 2023), wird Euclid jetzt mit einer Falcon-9 von SpaceX starten. Quelle:

https://twitter.com/BBCAmos/status/1583048886960078848

Die acceptance tests waren erfolgreich, alle technischen Details und Startbedingungen (davon hat Euclid einige) können erfüllt werden. Damit können wir mit guter Wahrscheinlichkeit einen Start Mitte 2023 hinbekommen. Landung der ersten Stufe vermutlich auf einem drone ship, da Euclid in einen Orbit um L2 gebracht wird, was eine höhere Beschleunigung durch die erste Stufe voraussetzt.

Das wäre das erste mal dass SpaceX einen Satelliten zu L2 bringt. Sogenannte "escape trajectories" wurden aber bereits 3 mal erfolgreich getestet, u.a. ein Transferorbit zu L1 (NOAA's Deep Space Climate Observatory), sollte also hoffentlich klappen mit L2!

Der F9 Block 5 ist mittlerweile 125 / 125 mal erfolgreich gestartet, aber nicht immer gelandet.
https://en.wikipedia.org/wiki/Falcon_9_Block_5

LG

mischa
 
Zuletzt bearbeitet:
Moin,

dann geht es - so alle Ergebnisse gut sind - mit der Integration in die Rakete weiter? Sprich zu SpaceX in die USA...

CS
Jörg
 
SpaceX hat von der ESA einen RfQ (request for quote) bekommen. Der sollte im Dezember in einem unterschriebenen Startvertrag enden. Im Januar stehen noch zahlreiche Tests des Gesamtsystems an... unter anderem schauen wir, ob alle nicht-standard Kommandosequenzen korrekt ausgeführt werden. Danach wird im Februar alles eingemottet und verschickt.
Einen genauen Starttermin kennen wir dann 3-4 Monate vorher. Juli+August geht, danach wohl 2 Monate nicht möglich, da das Teleskop während des Orbit-Transfers möglicherweise zu nahe zur Sonne blickt (das Teleskop hat keinen "Deckel" wie Hubble, den man auf und zu machen kann).
 
Habe gerade gehört, dass die Verhandlungen mit SpaceX abgeschlossen sind. Eine "preliminary authorization to proceed" wurde unterschrieben, und naechste Woche beginnen konkrete Meetings zwischen ESA, Thales, und Space-X. Geplanter Start ist im 3. Quartal 2023, das erste Startfenster wird wohl bereits am 1. Februar 2023 bekanntgegeben und kann bereits im Juli sein. :cool:
 
Offenbar dauert es normalerweise drei Jahre zwischen der 'preliminary authorization to proceed' und dem eigentlichen Start. Dass das bei uns in evtl nur 7 Monaten geht ist außergewöhnlich.
 
Der Start wird von Canaveral sein, da gibt es genug Plätze zum gucken und Hotels zum ausharren. Ob wir in den Kontrollraum dürfen weiss ich nicht. Von Kourou aus wäre das gegangen, weil da alles von der ESA gemanagt wird und die an ausgewählte Leute im Projekt einen sogenannten "launch pass" ausgeben kann. Ob das bei SpaceX geht weiss ich (noch) nicht, wenn dann wohl nur an die "Allerobersten". Zumindest von aussen zuschauen wollen einige, wenn nicht viele von uns. Ist halt schon was besonderes wenn es das eigene Ding ist das da hochfliegt (und im übertragenen Sinn hoffentlich nicht "in-die-Luft-geht").
 
Mit "dürfen" meinte ich natürlich ob dir das bezahlt wird. :whistle:
Auf eigene Kosten geht logischerweise immer. :cool:
Auf jeden Fall jetzt schon mal viel Erfolg!
Thorsten
 
Das Datum der Verschiffung nach Cape Canaveral wurde jetzt auf den 6. April festgelegt, von Italien aus mit der MN Colibri. Das ist das gleiche Schiff, das das JWST nach Kourou gebracht hat. Das Startfenster hat sich jetzt auch zum ersten mal eingeengt, vom 10.7. bis zum 9.8. Drei Monate vorher wird es dann auf eine Woche konkretisiert.
 
Wir waren die letzten beiden Tage bei TAS-F in Cannes, wo Euclid letzte EMC (electromagnetic compatibility) Tests durchlaeuft. Sie hatten uns am Ende des Tages sogar fuer 1.5 Stunden in den riesigen anechoischen Reinraum gelassen in dem Euclid steht. Ohne Absperrungen, man haette Euclid anfassen koennen oder sich den Kopf anhauen. Unglaublich beeindruckend das Teil in allen Details so aus der Naehe zu sehen. Private Fotos waren leider nicht erlaubt, bzw unterliegen einer Exportkontrolle seitens Thales. Euclid gehoert zwar "uns", aber auf den Fotos koennten ja andere sensitive Dinge im Hintergrund abgebildet sein. Offizielle Bilder kann ich nach Freigabe hier posten.

Auf dem Weg dahin kamen wir noch an Sentinel-1C (Erdbeobachtung) vorbei, der etwas einsam herumstand und im Vergleich zu Euclid relativ klein ist. In der gleichen Halle hing auch noch SATRIA, ein indonesicher Kommunikationssatellit basierend auf der verleichsweise riesigen Spacebus NEO Plattform, an dem noch fleissig rumgeschraubt wurde.
 
Hallo Mischa,
Danke für die laufenden Information und Bilder, sehr interessant mal mitzulesen wie so etwas abläuft.

beste Grüße - Frank
 
Jetzt wurden die Bilder endlich freigegeben:
TAS-EUCLID054.JPG

Credit: Photo von ESA – M. Pédoussaut. Euclid ist eine M-Klasse Mission der ESA mit gegenwärtigem Start im Juli 2023. Aufnahmeort: Anechoische Kammer, Thales Alenia Space, Cannes. Im Vordergrund die leitenden Köpfe des Euclid Science Teams sowie Kalibration.

Die anechoische Kammer war enorm beeindruckend, bestimmt 20m hoch und 50m lang. Vermittelt einen guten Eindruck davon, wie riesig Satelliten sein können, wenn die Solar panels ausgefahren sind. Fuer den EMC Test wurde Euclid von rechts mit einer Radioantenne bestrahlt mit 50-100 W Leistung. Hoert sich nicht viel an, würde aber ein Loch in die weissen Kegel auf der linken Seite brennen. Daher befindet sich dort die schwarze Absorberwand.
 
Oben