Hallo Mike,
alle Astrofotografen sollten sich selbst fragen ab wann sie eine Grenze überschreiten und den Unterschied zwischen Bildbearbeitung (Hervorholen von Einzelheiten) und Fake klarmachen. "Fotografenehre", "Etik" eben ...
Wenn im Begleittext eines Bildes steht, daß es sich um ein am Computer erzeugtes Komposit aus unterschiedlichen Einzelbildern bei verschiedenen Belichtungen zu unterschiedlichen Zeiten handelt, weil mit derzeitiger Technik das gezeigte nicht mit einer Belichtungszeit dargestellt werden kann, dann sehe ich für mich das nicht als Betrug an.
Fehlt der Hinweis, suggeriert das Bild als solches eine technische Leistung, die nicht erbracht ist und das ist für mich somit Betrug am Betrachter.
Dazu 2 konkrete Beispiele, die Du sicher kennst:
- der Orionnebel mit gut aufgelößtem Trapez, aber auch gut sichtbare Schwingen und dem vollständigen "Sack nach unten".
- die Andromeda mit gut aufgelösten Staubbändern im inneren Kern und gleichzeitig die sehr schwachen bläuliche Außenbereiche
Jeder erfahrene Astrofotograf weiß, daß man das auch heutzutage nicht mit 1 einzigen Belichtungszeit hinbekommt.
Unser Auge funktioniert in weiten Bereichen logarhytmisch. Die gängigen Kameras aber eher linear. Daher muß man da zu Kunstgriffen (verschiedene Belichtungszeiten, Überblenden verschiedener Ebenen) greifen..
Es stellt sich überhaupt die Frage, wie real Astrobilder eigentlich sind. Ein mit entsprechender fotografischen Ausrüstung aufgenommener Komet sieht fantastisch aus, extrem bunt und Details ohne Ende, aber was hat dies mit der Wirklichkeit zu tun? Niemals würde man das visuell so sehen auch nicht von idealen Standorten mit riesigen Öffnungen nicht.
Mike, "Luft" kann man auch nicht sehen, aber sie ist da.
Man kann sie wiegen, ihre Eigenschaften (Druck, chemische Zusammensetzung, Temperatur...) messen und sehr genau bestimmen.
Die Astrofotografie ist ein Hilfsmittel, die "Dinge da oben" zu visualisieren, die wir Menschen mit unseren begrenzten biologischen Mitteln nicht so ohne weiteres wahrnehmen können.
Egal, ob langbelichtete RGB-Aufnahmen, UV-Bilder oder IR-Bilder, Radioastronomie, Röntgenastronomie...
Es wird also etwas dargestellt, wie es in Wirklichkeit so einfach nicht zu sehen ist.
ja, das ist richtig. Aber unsere Rezeptoren in den Augen bilden eben nur das vom gesamten elektromagnetischen Spektrum ab, was evolutionsbedingt für unsere Spezies zum Überleben nützlich war.
Weiters kommt bei der Kometenfotografie noch der Umstand hinzu, dass sich der Komet gegenüber dem Himmelshintergrund verschiebt.
Deshalb ist dann ein ziemlicher Aufwand an Bildbearbeitung notwendig um gleichzeit die Sterne und den Kometen darstellen zu können, was natürlich eine Manipulation darstellt.
auch da hast Du recht. Ich habe bislang leider noch nicht viele Kometen fotografieren können. Aus den Rohdaten würde ich dann 3 Bilder und eine Animation machen.
- auf dem Kometenkern gestackte Bilder mit strichförmigen Sternen
- Sterne punktförmig und Komet scharf
- Sterne punktförmig und Komet zu einem Strich verzogen
- Komet bewegt sich zwischen den Sternen
Wenn ich bei uns auf der Sternwarte unseren Besuchern erklären möchte, wie all die fantastischen Bilder vom Weltall entstehen, erlebe ich immer öfter, daß sich die Besucher garnicht die Zeit nehmen wollen, um die Entstehung eines solchen Bildes zu verstehen.
Das "immer schneller", "immer simpler", "für wirklich alles eine App" scheint überhand zu nehmen. Und gleichzeitig fehlt das prinzipielle Verständnis von grundlegenden Dingen. Einfachste physikalische Gesetzmäßigkeiten sind unbekannt, Aberglaube und "Wunschphysik" nehmen zu.
Was mich als Visueller Beobachter viel mehr interessiert, wäre ein Art von "Visueller Fotografie" also möglichst naturgetreue Fotos,die exakt und ohne Aufwand darstellen was ich im Okular an Galaxien, Kometen, Planeten und so weiter direkt sehen kann. Darum finde ich auch Videoaufnahmen(echte bitte!") von Planeten weitaus interessanter als gestackte und umfangreich bearbeitete Fotgrafien. Diese"visuelle Fotografie" die ich mir wünsche, wäre nichts anderes als eine digitale exakte Skizze dessen was ich sonst von Hand zeichnen müsste.
in begrenztem Umfang geht das. Eben Planetenvideos, Mondvideos, Sonnenvideos. Da hast echtes "Livefeeling".
Bei Deepskyobjekten leider nur bei den allerhellsten Motiven. Und auf keinen Fall mit 25 Bildern pro Sekunde.
Garradaufnahme
M51
Bei diesen beiden Videos steckte meine s/w Planetenkamera mit vorgeschraubtem Shapleyelement(31er DMK) direkt im 150/750er Newton. Ich hab also aus f=5 f=4 gemacht, um überhaupt was auf den Chip zu bekommen von den flächigen Objekten. Die Belichtungszeit lag bei 30 Sekunden pro Bild und Du siehst im 2. Video ganz klar den Schneckenfehler als "Sinusbewegung" + Drift durch ungenügende Einnordung. Alle Pünktchen, die sich nicht mitbewegen, sind Hotpixel, die durch Darks noch beseitigt werden müßten.
Das Video mit M51 hab ich nur wegen der SN aufgenommen. Nach vielen Videos und massiver Bildbearbeitung mit Darks kam dann
das dabei raus.
Visuell hatte ich bei meinem Standort nur helle Sterne im Okular. Gegen das Licht des Industriegebietes hatte ich da keinerlei Chance.
Diese und andere Aufnahmen haben mich so "abgeturnt", daß ich für "pretty Pictures" nicht weiter damit experimentiert hab... Für SN-Aufnahmen aber weiterhin mache...
Leider hat die Qualität des Originalvideos etwas gelitten durch die Komprimierung, die Youtube noch draufgehauen hat.
Gibt es heute schon die Möglichkeit dies fotografisch ohne Nachführung zu erreichen?
technisch? Jain. Es gibt s/w Kameras, die etwa 1000 mal so empfindlich sind. Aber für mich absolut nicht zu bezahlen. 50000 Euro für so ne experimentelle Kamera kann ich mir nicht leisten. Und ne Nachführung bräuchte man dann trotzdem, weil das Motiv sonst innerhalb von 2 Sekunden aus dem Bildfeld der Kamera weg wäre...
Wie schön wäre es doch, einfach eine Kamera in de Okularauszug des Dobsons zu stecken, abzudrücken und exakt den Kometen, oder was auch immer so abgebildet zu haben wie er im Okular eben aussieht, zwar schwach und mit wenig oder ohne Farbe, aber eben authentisch. Und zwar direkt ohne Nachbearbeitung und Nachführung. Dies fände ich reizvoll.
ich auch. Aber das klappt derzeit nicht. Du mußt auch das Gesichtsfeld der Kamera berücksichtigen. Das ist viel kleiner als Deine Netzhaut. Die heute typischen empfindlichen Planetenkameras haben Chipgrößen von ca. 3x4, 4x5, 5x7 mm. Und ebene Chips. Und wie viele Quadratzentimeter hat dagegen Dein Augapfel innen? Der ist zudem gebogen...
Eine Fotografie ist immer etwas anderes als der Liveeindruck mit den Augen.
Ich fürchte, bei allem technischen Vortschritt werde ich das in den mir verbleibenden Lebensjahren nicht mehr erleben...