daaxel
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Hallo Leute,
vor fast genau zwei Jahren hatte ich mich zum ersten mal hier im Forum vorgestellt und um Rat gebeten, welches Teleskop ich mir als Einsteiger besorgen sollte. Mittlerweile hat sich einiges getan wovon ich euch ausgiebig erzählen möchte. Nehmt euch Zeit für diesen Post, er ist sehr lang.
Nachdem ich durch mein Selbststudium und eurem Rat nicht wirklich eine konkrete Entscheidung ableiten konnte, ging es im Mai 2019 mit einem Astronomiekurs bei Manuel Philipp von abenteuer-sterne.de in Prien am Chiemsee weiter. Ich erhoffte mir daraus unter anderem besser zu verstehen welche Richtung ich mit meinem Interesse nun einschlagen sollte. In zwei Tagen brachte uns Manuel die Vorgänge am Himmel und die Handhabung einer drehbaren Sternkarte näher. Das wirklich Besondere an diesem Kurs war, dass Manuel als Material nur seine Hände und kleine Modellgestirne zum Erklären und Veranschaulichen verwendete. PowerPointfolien blieben uns erspart, dafür gab es wirklich gut ausgearbeitete Kursunterlagen auf Papier. Meiner Verlobten und mir hat dieser Kurs die Augen geöffnet und uns noch bewusster nach oben schauen lassen.
Die Anschaffung eines Teleskops zur visuellen Beobachtung war damit beschlossene Sache, aber welches nun? Das Ziel war klar: Maximale Usability und Performance. Auf den binokularen Weg hat mich dann unter anderem Sebastian Ratgeber-Thread gebracht. Er fragte: Warum nicht beim Thema „Fernglas“ bleiben?. Und tatsächlich sah ich im Test durch mein Canon 10x42 IS mit nur einem Auge alles kleiner als mit beiden. Ich empfinde die Verbesserung des Bildes durch das Sehen mit zwei Augen als sehr stark. Auch leuchtet mir als Informatiker ein, dass das Gehirn durch das Stapeln von zwei Bildern mehr Informationen gewinnen kann. Ich überlegte also in Richtung Großfernglas und begann mit einem APM 82 SD Bino zu liebäugeln. Durch Recherchen hier im Forum und auf cloudynights.com entdeckte ich eine leidenschaftliche Bino-Fangemeinde, die der zyklopischen Astronomie den Rücken gekehrt hat. Jochen (portaball) ist ja auch sehr happy mit seinem Canon 15x50 IS und ich habe seine vielen Beiträge im Netz dazu mit großer Zustimmung gelesen. Nun ist er ja auch großer Fan der APM Großferngläser und auch ich habe bis zuletzt mitgefiebert wann das APM 150 SD mit der Seriennummer 1 endlich in seinem Garten auf dem perfekten Stativ aufgebaut wird. Threads mit Lobgesängen und Liebesschwüre wie von Jochen und Michael haben mich angefixt. Ich war überrascht, wie genau es die Binofans mit dem Thema nahmen, alles verglichen und ihre Nasen unendlich tief zwischen die Okulare stecken konnten. Da fühlte ich mich als Computer-Nerd gleich zu Hause. Zufälligerweise betreibt Manuel Philipp auch einen Astro-Shop und ist selbst kundiger Vertreter der APM Binos. Manuels Beschreibungen dieser Gläser und dem passendem Zubehör deckten sich mit meinen eigenen Recherchen, daher erschien es mir nur logisch, dass ich mich zur Sicherheit von einem Profi-Astro-Nerd wie ihm beraten lassen wollte, sobald ich genug gespart hätte. Der Traum vom APM 82 SD wurde zwar konkreter, lag aber finanziell bedingt noch in der Ferne.
Dann kam Corona und das Nicht-Geld-Ausgeben fiel mir plötzlich leichter. Ihr dürft nicht vergessen, ich hatte ja bis dahin noch kaum Erfahrung mit astronomischen Ausgaben. Im Juni 2020 besuchte ich also Manuel abermals, um die APM Binos auszuprobieren und Nägel mit Köpfen zu machen. Manuel ist ein echter Verkaufsprofi, und ich war ein williges Opfer. Die Entscheidung fiel nun sogar auf das Maximum an Binopower, die ich noch gut transportieren könnte: ein APM 120mm 90° SD-APO Großernglas, APM Gabelmontierung, Berlebach UNI 19C Stativ, ein Paar Docter/Noblex 12,5mm Okulare und alles weitere für ein richtiges Komplett-Set.
Im Juli war es dann endlich so weit: das Bino war zu Hause und mein Geldbörserl leer. Am Anfang war ich noch schüchtern im Umgang mit dem schweren Gerät, und fragte mich nervös, ob ich denn wahnsinnig sei, als Einsteiger soviel Geld in den Himmel zu blasen. Hätte ein kleiner Dobson denn nicht auch gereicht?
Diese Zurückhaltung sieht man auch bei diesem Foto welches beim First-Light am Tage entstanden ist:
Die ersten Sehversuche waren etwas ernüchternd: im Hochsommer auf der heißen und klapprigen Südterrasse mit voll ausgefahrener Kurbelsäule war selbst 53-fach noch zu hoch vergrößert um ordentlich sehen zu können, was die Wanderer da am Gipfel trieben. Die erste Nacht aber war klar und ruhig. Beim Blick durch das Bino verwandelte sich der lichtverschmutzte Salzburger Stadthimmel (Bortle 5) in ein unendliches und sternenreiches Suchbild. In der Milchstraße wimmelte es nur so von Sternen und ich verbrachte einige Zeit damit einfach nur zu schauen was mir vor das Bino kam. Ich sah zum ersten Mal die Farbenpracht des Doppelsternsystems Albireo, die unglaubliche Vielzahl von Sternen im Herkules-Sternhaufen, und dann auch noch Jupiter und Saturn endlich mit Details. Mit nur 53-facher Vergrößerung hingen die Gasriesen etwas verloren im Dunkel, aber gerade das machte den Anblick noch realer. Beim milchig gelben Saturn konnte ich die Ringe zum ersten Mal deutlich erkennen. Jupiter präsentierte mir seine cremig braunen Wolkenbänder. Zu guter letzt war der Anblick von Andromeda umwerfend: "Alter ist die riesig!". Sie ist so groß, dass man sie nur 18 Mal aneinanderreihen müsste, um ihre Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren zu uns auf der Erde zu überbrücken.
Ich hatte davor noch nie durch ein Teleskop geschaut und kannte nur Ferngläser mit bis zu 10-facher Vergößerung. Das APM 120 Bino hätte somit auch gar keine Chance gehabt mich zu enttäuschen. Das beidäuigge Sehen mit den Docter/Noblex 12,5mm Okularen ist eine Wonne und fühlt sich einfach natürlich an. Das Sehfeld ist so groß, dass sich tatsächlich ein "Space-Walk-Effekt" einstellt. Manchmal empfinde ich den Blick in den Nachthimmel durch das Bino als würde ich auf einem See schnorcheln und in die Untiefen hinabschauen. Dabei bekomme ich dann die schaurig schöne Vorstellung, ich könnte ewig tief in diesen See aus Sternen hinabsinken und nie wieder auftauchen.
In den nächsten Wochen lernte ich sowohl weitere Hindernisse als auch Highlights kennen. Irgendwo hat ein Sternfreund mal geschrieben, er wäre mit seinem Astrohobby im Dreieck aus Wochenende, Mond und Wetter gefangen. Das konnte ich dann bald nachvollziehen. Daher versuchte ich die wenigen verfügbaren Nächte so gut es geht auszunutzen. Eines Abends schoss die ISS über den Himmel und ich schaffte es, sie für ein paar Sekunden zu verfolgen und ihre H-förmige Struktur wahrzunehmen. Beim Umherstreifen entdeckte ich den Hantelnebel ohne erst zu wissen was dieses ungewöhnliche Objekt sein soll. M27 schwebte wie eine dreidimensionale blassblaue Qualle im Dunkel des Alls. Am Mond konnte ich zum ersten Mal Bergspitzen und deren Schatten sehen, sowie Krater identifizieren, deren Namen ich bisher nur aus "2001: A Space Odyssey" kannte. Im Film fliegen die Wissenschaftler von der Mondstation im Krater Clavius zu Tycho um den wundersamen Monolithen zu begutachten. Ich flog durch das Bino mit meinen Augen nun hinterher. Der zweiäugige Blick durch das Großfernglas täuscht mir eine Dreidimensionalität vor, die so gar nicht existiert. Diesen Effekt empfinde ich nicht als Betrug sondern als eine willkommene Aufbesserung des Erlebnisses. Der Weltraum den ich bisher hauptsächlich aus der Fiktion kannte, wurde so immer realer. Dabei halfen vor allem auch Bücher wie der "Deep Sky Reiseatlas" und "Deep Sky Reiseführer", sowie deren Pendant "Der Moonhopper" und der "Reiseatlas Mond" aus dem Oculum Verlag. Durch sie lernte ich, was es wo zu sehen gab und wie man dort hin kam. Das I-Tüpfelchen bringt mir die App "Sky Safari 6 Pro" mit ihrem Audio Guide der mir gleichzeitiges Beobachten und Zuhören ermöglicht.
Nach nur einer Woche mit dem Bino gab es das erste besondere Himmelsereignis: der Komet C2020/F3 (NEOWISE). Der wäre von zu Hause nicht zu sehen, also würde ich wohl oder übel mein Baby zum ersten Mal spazieren fahren müssen. Bei einer Wanderung auf den Salzburger Hausberg "Gaisberg" kundschaftete ich den richtigen Platz mit freiem Blick zum Westhorizont aus: Dort, wo unter Tags die Paragleiter starten, die ich schon oft mit meinem Canon 10x42 IS dabei verfolgt hatte, wie sie wie Geier über dem Gipfel kreisten. Rechtzeitig kam auch noch die Transportlösung an, ohne die ich mich nicht mit dem Bino rausgetraut hätte: ein Pelican Air 1615 Koffer.
Als ich kurz vor Sonnenuntergang den Binokoffer samt Zubehör in das Auto packte und mit meiner Verlobten den Berg hinhauf fuhr, war ich nervös. Würden wir den Kometen sehen? Würde das Bino den Ausflug überleben? Auf der Gipfelwiese warteten schon andere Neugierige auf die erste Sichtung des Kometen. Ich stellte mein APM 120 Bino auf und suchte mit dem Canon 10x42 IS als Übersichtsglas am Westhorizont. Mit dunklerem Himmel fand ich ihn dann auch und stellte das Bino drauf ein. Wow! Den Anblick von Neowise durch das Bino werde ich nie vergessen. Umso später es wurde umso besser zeichnete er sich ab. Die Koma leuchtete leicht grünlich und in der Mitte stand ein heller Punkt. Der Staubschweif schwang sich weit nach rechts oben. Der Ionenschweif war aber nicht sehen. Kein Foto, dass ich später im Netz gesehen habe, kommt der Schönheit des Anblicks durch dem Bino nahe. Manch ein Neugieriger fragte mich, ob er auch mal schauen dürfte, doch ich war zu zögerlich und besessen um den Blick mit jemandem außer meiner Verlobten zu teilen. Es war ja auch mein erstes Mal draußen und ich fürchtete, wenn mal einer schaut, dann habe ich eine nie enden wollende Schlange hinter mir. Jemand anders hatte einen kleinen Refraktor aufgebaut, der aber kaum Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Bino stellt diesen von der Größe und der Power her in den Schatten. Da wurde mir schlagartig bewusst: Ich hatte mir etwas Besonderes angeschafft, was mir noch lange Freude bringen würde.
Ich wurde immer geübter im Umgang mit dem Gerät und im Beobachten. Anstatt die Nacht vor PlayStation oder Netflix zu verbringen, saß ich nun bei guter Sicht draußen und lernte den Himmel kennen. Auf einem Feld bei den Schwiegereltern am Land (Bortle 4) verabschiedete ich mich von Neowise und begrüßte zum ersten Mal Uranus sowie Neptun. Auch sah ich zum ersten Mal einen Schatten der galileischen Monde auf dem Jupiter. Und das alles bei nur 53-Vergrößerung mit den Docter/Noblex 12,5mm Okularen. Auf dem Feld machte ich auch erste Bekanntschaft mit Tau und lernte, dass man draußen besser alle Koffer und Taschen immer geschlossen halten sollte.
Bei einem Almurlaub am Hochkönig konnte ich den Blick in den Himmel auch mit Freunden teilen. Nachdem ich selbst vertrauter mit dem Bino war, wagte ich es nun, auch anderen zu Zweisamkeit mit den Sternen zu verhelfen. Zu Hause begeisterte ich Nachbarskinder, sofern sie geschickt genug im Beobachten waren. Die Docter/Noblex 12,5mm sind hier mit ihrem gutmütigen Einblickverhalten von Vorteil. Leider ist die Pandemie ein Spielverderber, der mit Abstands- und Maskierungsregeln den Kontakt zu Haushaltsfremden bremst. Wenn ich Anderen zu ihrem ersten Blick auf die immer wieder gleichen Objekte verhelfe, dann ist es auch ein bisschen so, als wäre es für mich wieder das erste Mal. Das macht richtig süchtig und ich freue mich schon darauf, in Zukunft noch mehr Leuten den Himmel näher bringen zu können.
Richtig spannend wurde es aber erst, nachdem ich den dunkelsten Himmel in meiner Umgebung entdeckt hatte. Die Postalm im Salzkammergut liegt auf 1300 Höhenmeter, eine Autostunde von mir zu Hause entfernt und bietet rundherum freien, dunklen Blick (Bortle 3). Als ich das erste Mal mit dem Auto oben auf den von mir auserwählten Parkplatz ankam, sah ich zu meiner Überraschung im Scheinwerferlicht eigenartig gekleidete Gestalten. Ich hätte erwartet, der Einzige zu sein und nicht hier von vermeintlichen Bauarbeitern oder Polizisten aufgehalten zu werden. Dabei handelte es sich um die Astrofotografen und ebenfalls Forum-Mitglieder Bernhard und Rocky, die in ihren Gefrierhausanzügen wie sonderbare Astronauten aussahen. Dort oben auf der Postalm habe ich begonnen, ausgedehnte Beobachtungsprojekte zu unternehmen. Während die Astrofotografen sich übers Fotografieren, das Universum und den ganzen Rest unterhalten, ihre Filter wechseln oder nach Meteoren Ausschau halten, klebe ich am APM 120 und studiere das Weltall. Mittlerweile habe auch ich eine Gefrierhaushose und Moon Boots gegen die Kälte, sowie einen zweiten Pelikoffer für die Ausrüstung.
Hier wurde ich bei der Vorbereitung auf einen Moon Walk erwischt:
Hier sieht man den zweiten Pelikoffer samt Okularsammlung:
Und hier die Gesamtausrüstung die in das Auto gepackt wird, wenn es auf die Postalm geht:
Ein paar Lieblingsobjekte, die immer wieder schön anzuschauen sind, haben sich auch schon herauskristallisiert. Der Perseus Doppelsternhaufen mit seinen diamantenen Pünktchen ist immer wieder einen Blick wert. Die Gegenüberstellung der Sternhaufen M35 (groß und hell, 2600 Lichtjahre entfernt) und NGC2158 (klein und dunkel, 16500 Lichtjahre entfernt) gibt mir einen Eindruck von Tiefe im All. Im Dezember hatte ich kurz vor der Konjunktion Jupiter und Saturn im gleichen Blickfeld. Als der Orionnebel zum ersten Mal über dem Horizont aufgegangen ist, überraschten mich wie bei Andromeda seine Ausdehnung und Detailreichtum. Orion wird mit dem Wintersechseck nun bald unsichtbar werden. Dafür freue ich mich, im Sommer die Planeten und die Milchstraße wieder zu sehen. Durch den Wechsel des Nachthimmels in den Jahreszeiten, die Phasen des Mondes und den ewig wandernden Planeten gibt es immer wieder die Möglichkeit, alte Bekannte zum ersten Mal wieder zu sehen.
Das neue Hobby der astronomischen Beobachtung macht mir überraschend viel Freude. Das APM 120 Bino ist für mich kein Grab'n'Go Instrument. Da es ordentlich verstaut ist und ich mich jetzt im Winter erst ordentlich einhüllen muss dauert es schon 10-15 Minuten, bis die Beobachtung losgeht. Aber wenn ich dann dabei bin, dann fliege ich ins Weltall und die Zeit davon. Zum Schnellspechteln verwende ich das Canon 10x42 IS und mittlerweile auch ein 15x50 IS. Für abend- und nachtfüllende Ausflüge kommt das APM 120 zum Einsatz.
Ich habe meine Entscheidung zum APM 120 SD 90° Bino nicht bereut. Jochens 150er wäre mir zu schwer. Ein richtiger Doppelrefraktor noch zu teuer. Natürlich würde ich gerne noch tiefer in den Himmel sehen können. Manchmal schwelge ich in Gedanken an einen riesigen Dobson, um kleinere und dunklere Objekte knacken zu können. Oder ich denke an einen nachgeführten Mak um noch mehr Planetendetails herauszukitzeln. Sinnvolle Aufrüstungen für das Bino waren weitere Okulare, aktuell bin ich mit 147-facher Vergrößerung durch TeleVue Delos 4,5mm für mich beim Maximum angekommen. Weißlichtfilter machen auch Spaß, tatsächlich kann ich damit nicht nur die aktuell seltenen Sonnenflecken sehen, sondern auch die Granulation der Photosphäre. Das Beobachten der Sonne am Tag macht mir viel Freude und erweitert die Beobachtungsmöglichkeiten, der Entschluss zu einem h-Alpha-Teleskop ist schon getroffen. Nun heißt es wieder sparen und recherchieren. Ich habe mich schon in das Lunt LS80MT verschaut, und möchte es auf jeden Fall mit einem Binokularansatz betreiben. Wer weiß, was es dann wirklich wird. Vielleicht wird mir wieder Manuel auf die Sprünge helfen.
Danke an alle die hier oder sonst irgendwo im Netz so bereitwillig ihre Erfahrungen teilen. Ihr habt mich zum APM 120 Bino gebracht. Vielleicht schreibe ich auch mal einen Beitrag zu Details meiner Ausrüstung und den damit gemachten Erfahrungen. Bis dahin freue ich mich auf viele weitere astronomische Stunden, sei es draußen am Bino, oder drinnen mit euch.
Clear Skies,
Axel
vor fast genau zwei Jahren hatte ich mich zum ersten mal hier im Forum vorgestellt und um Rat gebeten, welches Teleskop ich mir als Einsteiger besorgen sollte. Mittlerweile hat sich einiges getan wovon ich euch ausgiebig erzählen möchte. Nehmt euch Zeit für diesen Post, er ist sehr lang.
Nachdem ich durch mein Selbststudium und eurem Rat nicht wirklich eine konkrete Entscheidung ableiten konnte, ging es im Mai 2019 mit einem Astronomiekurs bei Manuel Philipp von abenteuer-sterne.de in Prien am Chiemsee weiter. Ich erhoffte mir daraus unter anderem besser zu verstehen welche Richtung ich mit meinem Interesse nun einschlagen sollte. In zwei Tagen brachte uns Manuel die Vorgänge am Himmel und die Handhabung einer drehbaren Sternkarte näher. Das wirklich Besondere an diesem Kurs war, dass Manuel als Material nur seine Hände und kleine Modellgestirne zum Erklären und Veranschaulichen verwendete. PowerPointfolien blieben uns erspart, dafür gab es wirklich gut ausgearbeitete Kursunterlagen auf Papier. Meiner Verlobten und mir hat dieser Kurs die Augen geöffnet und uns noch bewusster nach oben schauen lassen.
Die Anschaffung eines Teleskops zur visuellen Beobachtung war damit beschlossene Sache, aber welches nun? Das Ziel war klar: Maximale Usability und Performance. Auf den binokularen Weg hat mich dann unter anderem Sebastian Ratgeber-Thread gebracht. Er fragte: Warum nicht beim Thema „Fernglas“ bleiben?. Und tatsächlich sah ich im Test durch mein Canon 10x42 IS mit nur einem Auge alles kleiner als mit beiden. Ich empfinde die Verbesserung des Bildes durch das Sehen mit zwei Augen als sehr stark. Auch leuchtet mir als Informatiker ein, dass das Gehirn durch das Stapeln von zwei Bildern mehr Informationen gewinnen kann. Ich überlegte also in Richtung Großfernglas und begann mit einem APM 82 SD Bino zu liebäugeln. Durch Recherchen hier im Forum und auf cloudynights.com entdeckte ich eine leidenschaftliche Bino-Fangemeinde, die der zyklopischen Astronomie den Rücken gekehrt hat. Jochen (portaball) ist ja auch sehr happy mit seinem Canon 15x50 IS und ich habe seine vielen Beiträge im Netz dazu mit großer Zustimmung gelesen. Nun ist er ja auch großer Fan der APM Großferngläser und auch ich habe bis zuletzt mitgefiebert wann das APM 150 SD mit der Seriennummer 1 endlich in seinem Garten auf dem perfekten Stativ aufgebaut wird. Threads mit Lobgesängen und Liebesschwüre wie von Jochen und Michael haben mich angefixt. Ich war überrascht, wie genau es die Binofans mit dem Thema nahmen, alles verglichen und ihre Nasen unendlich tief zwischen die Okulare stecken konnten. Da fühlte ich mich als Computer-Nerd gleich zu Hause. Zufälligerweise betreibt Manuel Philipp auch einen Astro-Shop und ist selbst kundiger Vertreter der APM Binos. Manuels Beschreibungen dieser Gläser und dem passendem Zubehör deckten sich mit meinen eigenen Recherchen, daher erschien es mir nur logisch, dass ich mich zur Sicherheit von einem Profi-Astro-Nerd wie ihm beraten lassen wollte, sobald ich genug gespart hätte. Der Traum vom APM 82 SD wurde zwar konkreter, lag aber finanziell bedingt noch in der Ferne.
Dann kam Corona und das Nicht-Geld-Ausgeben fiel mir plötzlich leichter. Ihr dürft nicht vergessen, ich hatte ja bis dahin noch kaum Erfahrung mit astronomischen Ausgaben. Im Juni 2020 besuchte ich also Manuel abermals, um die APM Binos auszuprobieren und Nägel mit Köpfen zu machen. Manuel ist ein echter Verkaufsprofi, und ich war ein williges Opfer. Die Entscheidung fiel nun sogar auf das Maximum an Binopower, die ich noch gut transportieren könnte: ein APM 120mm 90° SD-APO Großernglas, APM Gabelmontierung, Berlebach UNI 19C Stativ, ein Paar Docter/Noblex 12,5mm Okulare und alles weitere für ein richtiges Komplett-Set.
Im Juli war es dann endlich so weit: das Bino war zu Hause und mein Geldbörserl leer. Am Anfang war ich noch schüchtern im Umgang mit dem schweren Gerät, und fragte mich nervös, ob ich denn wahnsinnig sei, als Einsteiger soviel Geld in den Himmel zu blasen. Hätte ein kleiner Dobson denn nicht auch gereicht?
Diese Zurückhaltung sieht man auch bei diesem Foto welches beim First-Light am Tage entstanden ist:
Die ersten Sehversuche waren etwas ernüchternd: im Hochsommer auf der heißen und klapprigen Südterrasse mit voll ausgefahrener Kurbelsäule war selbst 53-fach noch zu hoch vergrößert um ordentlich sehen zu können, was die Wanderer da am Gipfel trieben. Die erste Nacht aber war klar und ruhig. Beim Blick durch das Bino verwandelte sich der lichtverschmutzte Salzburger Stadthimmel (Bortle 5) in ein unendliches und sternenreiches Suchbild. In der Milchstraße wimmelte es nur so von Sternen und ich verbrachte einige Zeit damit einfach nur zu schauen was mir vor das Bino kam. Ich sah zum ersten Mal die Farbenpracht des Doppelsternsystems Albireo, die unglaubliche Vielzahl von Sternen im Herkules-Sternhaufen, und dann auch noch Jupiter und Saturn endlich mit Details. Mit nur 53-facher Vergrößerung hingen die Gasriesen etwas verloren im Dunkel, aber gerade das machte den Anblick noch realer. Beim milchig gelben Saturn konnte ich die Ringe zum ersten Mal deutlich erkennen. Jupiter präsentierte mir seine cremig braunen Wolkenbänder. Zu guter letzt war der Anblick von Andromeda umwerfend: "Alter ist die riesig!". Sie ist so groß, dass man sie nur 18 Mal aneinanderreihen müsste, um ihre Entfernung von 2,5 Millionen Lichtjahren zu uns auf der Erde zu überbrücken.
Ich hatte davor noch nie durch ein Teleskop geschaut und kannte nur Ferngläser mit bis zu 10-facher Vergößerung. Das APM 120 Bino hätte somit auch gar keine Chance gehabt mich zu enttäuschen. Das beidäuigge Sehen mit den Docter/Noblex 12,5mm Okularen ist eine Wonne und fühlt sich einfach natürlich an. Das Sehfeld ist so groß, dass sich tatsächlich ein "Space-Walk-Effekt" einstellt. Manchmal empfinde ich den Blick in den Nachthimmel durch das Bino als würde ich auf einem See schnorcheln und in die Untiefen hinabschauen. Dabei bekomme ich dann die schaurig schöne Vorstellung, ich könnte ewig tief in diesen See aus Sternen hinabsinken und nie wieder auftauchen.
In den nächsten Wochen lernte ich sowohl weitere Hindernisse als auch Highlights kennen. Irgendwo hat ein Sternfreund mal geschrieben, er wäre mit seinem Astrohobby im Dreieck aus Wochenende, Mond und Wetter gefangen. Das konnte ich dann bald nachvollziehen. Daher versuchte ich die wenigen verfügbaren Nächte so gut es geht auszunutzen. Eines Abends schoss die ISS über den Himmel und ich schaffte es, sie für ein paar Sekunden zu verfolgen und ihre H-förmige Struktur wahrzunehmen. Beim Umherstreifen entdeckte ich den Hantelnebel ohne erst zu wissen was dieses ungewöhnliche Objekt sein soll. M27 schwebte wie eine dreidimensionale blassblaue Qualle im Dunkel des Alls. Am Mond konnte ich zum ersten Mal Bergspitzen und deren Schatten sehen, sowie Krater identifizieren, deren Namen ich bisher nur aus "2001: A Space Odyssey" kannte. Im Film fliegen die Wissenschaftler von der Mondstation im Krater Clavius zu Tycho um den wundersamen Monolithen zu begutachten. Ich flog durch das Bino mit meinen Augen nun hinterher. Der zweiäugige Blick durch das Großfernglas täuscht mir eine Dreidimensionalität vor, die so gar nicht existiert. Diesen Effekt empfinde ich nicht als Betrug sondern als eine willkommene Aufbesserung des Erlebnisses. Der Weltraum den ich bisher hauptsächlich aus der Fiktion kannte, wurde so immer realer. Dabei halfen vor allem auch Bücher wie der "Deep Sky Reiseatlas" und "Deep Sky Reiseführer", sowie deren Pendant "Der Moonhopper" und der "Reiseatlas Mond" aus dem Oculum Verlag. Durch sie lernte ich, was es wo zu sehen gab und wie man dort hin kam. Das I-Tüpfelchen bringt mir die App "Sky Safari 6 Pro" mit ihrem Audio Guide der mir gleichzeitiges Beobachten und Zuhören ermöglicht.
Nach nur einer Woche mit dem Bino gab es das erste besondere Himmelsereignis: der Komet C2020/F3 (NEOWISE). Der wäre von zu Hause nicht zu sehen, also würde ich wohl oder übel mein Baby zum ersten Mal spazieren fahren müssen. Bei einer Wanderung auf den Salzburger Hausberg "Gaisberg" kundschaftete ich den richtigen Platz mit freiem Blick zum Westhorizont aus: Dort, wo unter Tags die Paragleiter starten, die ich schon oft mit meinem Canon 10x42 IS dabei verfolgt hatte, wie sie wie Geier über dem Gipfel kreisten. Rechtzeitig kam auch noch die Transportlösung an, ohne die ich mich nicht mit dem Bino rausgetraut hätte: ein Pelican Air 1615 Koffer.
Als ich kurz vor Sonnenuntergang den Binokoffer samt Zubehör in das Auto packte und mit meiner Verlobten den Berg hinhauf fuhr, war ich nervös. Würden wir den Kometen sehen? Würde das Bino den Ausflug überleben? Auf der Gipfelwiese warteten schon andere Neugierige auf die erste Sichtung des Kometen. Ich stellte mein APM 120 Bino auf und suchte mit dem Canon 10x42 IS als Übersichtsglas am Westhorizont. Mit dunklerem Himmel fand ich ihn dann auch und stellte das Bino drauf ein. Wow! Den Anblick von Neowise durch das Bino werde ich nie vergessen. Umso später es wurde umso besser zeichnete er sich ab. Die Koma leuchtete leicht grünlich und in der Mitte stand ein heller Punkt. Der Staubschweif schwang sich weit nach rechts oben. Der Ionenschweif war aber nicht sehen. Kein Foto, dass ich später im Netz gesehen habe, kommt der Schönheit des Anblicks durch dem Bino nahe. Manch ein Neugieriger fragte mich, ob er auch mal schauen dürfte, doch ich war zu zögerlich und besessen um den Blick mit jemandem außer meiner Verlobten zu teilen. Es war ja auch mein erstes Mal draußen und ich fürchtete, wenn mal einer schaut, dann habe ich eine nie enden wollende Schlange hinter mir. Jemand anders hatte einen kleinen Refraktor aufgebaut, der aber kaum Aufmerksamkeit auf sich zog. Mein Bino stellt diesen von der Größe und der Power her in den Schatten. Da wurde mir schlagartig bewusst: Ich hatte mir etwas Besonderes angeschafft, was mir noch lange Freude bringen würde.
Ich wurde immer geübter im Umgang mit dem Gerät und im Beobachten. Anstatt die Nacht vor PlayStation oder Netflix zu verbringen, saß ich nun bei guter Sicht draußen und lernte den Himmel kennen. Auf einem Feld bei den Schwiegereltern am Land (Bortle 4) verabschiedete ich mich von Neowise und begrüßte zum ersten Mal Uranus sowie Neptun. Auch sah ich zum ersten Mal einen Schatten der galileischen Monde auf dem Jupiter. Und das alles bei nur 53-Vergrößerung mit den Docter/Noblex 12,5mm Okularen. Auf dem Feld machte ich auch erste Bekanntschaft mit Tau und lernte, dass man draußen besser alle Koffer und Taschen immer geschlossen halten sollte.
Bei einem Almurlaub am Hochkönig konnte ich den Blick in den Himmel auch mit Freunden teilen. Nachdem ich selbst vertrauter mit dem Bino war, wagte ich es nun, auch anderen zu Zweisamkeit mit den Sternen zu verhelfen. Zu Hause begeisterte ich Nachbarskinder, sofern sie geschickt genug im Beobachten waren. Die Docter/Noblex 12,5mm sind hier mit ihrem gutmütigen Einblickverhalten von Vorteil. Leider ist die Pandemie ein Spielverderber, der mit Abstands- und Maskierungsregeln den Kontakt zu Haushaltsfremden bremst. Wenn ich Anderen zu ihrem ersten Blick auf die immer wieder gleichen Objekte verhelfe, dann ist es auch ein bisschen so, als wäre es für mich wieder das erste Mal. Das macht richtig süchtig und ich freue mich schon darauf, in Zukunft noch mehr Leuten den Himmel näher bringen zu können.
Richtig spannend wurde es aber erst, nachdem ich den dunkelsten Himmel in meiner Umgebung entdeckt hatte. Die Postalm im Salzkammergut liegt auf 1300 Höhenmeter, eine Autostunde von mir zu Hause entfernt und bietet rundherum freien, dunklen Blick (Bortle 3). Als ich das erste Mal mit dem Auto oben auf den von mir auserwählten Parkplatz ankam, sah ich zu meiner Überraschung im Scheinwerferlicht eigenartig gekleidete Gestalten. Ich hätte erwartet, der Einzige zu sein und nicht hier von vermeintlichen Bauarbeitern oder Polizisten aufgehalten zu werden. Dabei handelte es sich um die Astrofotografen und ebenfalls Forum-Mitglieder Bernhard und Rocky, die in ihren Gefrierhausanzügen wie sonderbare Astronauten aussahen. Dort oben auf der Postalm habe ich begonnen, ausgedehnte Beobachtungsprojekte zu unternehmen. Während die Astrofotografen sich übers Fotografieren, das Universum und den ganzen Rest unterhalten, ihre Filter wechseln oder nach Meteoren Ausschau halten, klebe ich am APM 120 und studiere das Weltall. Mittlerweile habe auch ich eine Gefrierhaushose und Moon Boots gegen die Kälte, sowie einen zweiten Pelikoffer für die Ausrüstung.
Hier wurde ich bei der Vorbereitung auf einen Moon Walk erwischt:
Hier sieht man den zweiten Pelikoffer samt Okularsammlung:
Und hier die Gesamtausrüstung die in das Auto gepackt wird, wenn es auf die Postalm geht:
Ein paar Lieblingsobjekte, die immer wieder schön anzuschauen sind, haben sich auch schon herauskristallisiert. Der Perseus Doppelsternhaufen mit seinen diamantenen Pünktchen ist immer wieder einen Blick wert. Die Gegenüberstellung der Sternhaufen M35 (groß und hell, 2600 Lichtjahre entfernt) und NGC2158 (klein und dunkel, 16500 Lichtjahre entfernt) gibt mir einen Eindruck von Tiefe im All. Im Dezember hatte ich kurz vor der Konjunktion Jupiter und Saturn im gleichen Blickfeld. Als der Orionnebel zum ersten Mal über dem Horizont aufgegangen ist, überraschten mich wie bei Andromeda seine Ausdehnung und Detailreichtum. Orion wird mit dem Wintersechseck nun bald unsichtbar werden. Dafür freue ich mich, im Sommer die Planeten und die Milchstraße wieder zu sehen. Durch den Wechsel des Nachthimmels in den Jahreszeiten, die Phasen des Mondes und den ewig wandernden Planeten gibt es immer wieder die Möglichkeit, alte Bekannte zum ersten Mal wieder zu sehen.
Das neue Hobby der astronomischen Beobachtung macht mir überraschend viel Freude. Das APM 120 Bino ist für mich kein Grab'n'Go Instrument. Da es ordentlich verstaut ist und ich mich jetzt im Winter erst ordentlich einhüllen muss dauert es schon 10-15 Minuten, bis die Beobachtung losgeht. Aber wenn ich dann dabei bin, dann fliege ich ins Weltall und die Zeit davon. Zum Schnellspechteln verwende ich das Canon 10x42 IS und mittlerweile auch ein 15x50 IS. Für abend- und nachtfüllende Ausflüge kommt das APM 120 zum Einsatz.
Ich habe meine Entscheidung zum APM 120 SD 90° Bino nicht bereut. Jochens 150er wäre mir zu schwer. Ein richtiger Doppelrefraktor noch zu teuer. Natürlich würde ich gerne noch tiefer in den Himmel sehen können. Manchmal schwelge ich in Gedanken an einen riesigen Dobson, um kleinere und dunklere Objekte knacken zu können. Oder ich denke an einen nachgeführten Mak um noch mehr Planetendetails herauszukitzeln. Sinnvolle Aufrüstungen für das Bino waren weitere Okulare, aktuell bin ich mit 147-facher Vergrößerung durch TeleVue Delos 4,5mm für mich beim Maximum angekommen. Weißlichtfilter machen auch Spaß, tatsächlich kann ich damit nicht nur die aktuell seltenen Sonnenflecken sehen, sondern auch die Granulation der Photosphäre. Das Beobachten der Sonne am Tag macht mir viel Freude und erweitert die Beobachtungsmöglichkeiten, der Entschluss zu einem h-Alpha-Teleskop ist schon getroffen. Nun heißt es wieder sparen und recherchieren. Ich habe mich schon in das Lunt LS80MT verschaut, und möchte es auf jeden Fall mit einem Binokularansatz betreiben. Wer weiß, was es dann wirklich wird. Vielleicht wird mir wieder Manuel auf die Sprünge helfen.
Danke an alle die hier oder sonst irgendwo im Netz so bereitwillig ihre Erfahrungen teilen. Ihr habt mich zum APM 120 Bino gebracht. Vielleicht schreibe ich auch mal einen Beitrag zu Details meiner Ausrüstung und den damit gemachten Erfahrungen. Bis dahin freue ich mich auf viele weitere astronomische Stunden, sei es draußen am Bino, oder drinnen mit euch.
Clear Skies,
Axel
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